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15 Oktober

01.10.15  


Etwa in den letzten 20 Minuten der Vorführung tauchte im Bild ganz schwach eine rötliche Fläche auf. Und dann ca. 10 Minuten vor Schluss war das Bild für gut 2 Minuten komplett verschwunden. Ich dachte derlei Vorführprobleme seien mit dem Übergang von analog auf digital verschwunden. Ganz offensichtlich gibt es bei der digitalen Projektion neue Probleme. Ich denke die Bildlampe war am Ende ihrer Betriebszeit angelangt und wurde vom Vorführer ausgewechselt.

Das Publikumsgespräch musste im Kino wegen des nächsten Films abgebrochen werden und wurde im Foyer fortgesetzt.

Von dem Mädchen ganz links erfahre ich, dass Nastassia Kinsky in "ROTE SONNE" war und sich Notizen gemacht hat.

Anna, mein guardian angel, ist heute zum letzten Mal da und schreibt mir ihre email-Adresse auf.
Das Kino liegt im Alexander-Park. Da gibt es Miniaturen von vielen Kathedralen und öffentlichen Gebäuden. Andrei, der aus St. Petersburg kommt, kannte das nicht.







Andrei fotografiert mich inmitten dieser ernst blickenden Männer.

Ein U-Bahnhof.

Ab 8. Oktober läuft dieser Film. Wer nach Russland reist, muss eigentlich das kyrillische Alphabet beherrschen.
Ich mache mir die Mühe und schaue mir das kyrillische Alphabet an und finde heraus, es ist "Pan" und der startet am selben Tag auch in Deutschland.

Das Gebäude. das ich gestern von weitem fotografiert habe, ist ein Theater. Klar "P" ist "R".

Hier gibt's tatsächlich noch Telefonzellen. Beim Anschauen von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" ist mir aufgefallen, wie viele Dinge, die da alltäglich sind, heute nicht mehr existieren.

Mein Mittagessen im Hotel. 1 Pizza und 1 Glas Wein. Die Pizza schmeckt gut und der Ruccola ist das Tüpfelchen auf dem "i". Ich habe keine Lust, alleine in einem Restaurant zu sitzen, schlecht zu essen und einen noch schlechteren Wein zu trinken.
Seit heute Mittag regnet es in St.Petersburg nonstop, und dazu weht ein starker Wind. Ich hoffe nur, dass sich das morgen ändert, denn da läuft um 18 Uhr mein Film "MADE IN GERMANY UND USA" zum erstenmal in einer digitalisierten Version.
Gerade habe ich eine Anfrage vom Goethe-Institut in Novosibirsk bekommen. Sie möchten im Rahmen eines lokalen Festivals jetzt auch "BERLIN CHAMISSOPLATZ" zeigen. Ich habe postwendend zugesagt.

02.10.15   In der Nacht wurde vereinbart, dass "BERLIN CHAMISSOPLATZ" auf dem vom Goethe-Institut in Novosibirsk vom 16. - 22. November veranstalteten Festival laufen wird. Die Frage, ob ich da hinreise, stellt sich nicht, weil ich "BERLIN CHAMISSOPLATZ" am 19. November in Kyoto zeige.
Heute endlich esse ich zusammen Mit Mikhail Ratgauz. Das Essen ist gut. Der Wein auch. Er hat das Thome-Buch vom Schuerenverlag mitgebracht und bittet mich, eine Widmung reinzuschreiben. Das tue ich gerne. Ich schreibe "Für meinen russischen Freund…"
Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns in den nächsten Jahren vielleicht sogar auf meinem Bauernhof wiedersehen, denn das Goethe-Institut in Moskau besitzt eine perfekte 35mm-Kopie von "TAROT".



Zur Vorführung von "MADE IN GERMANY UND USA" begleiten mich Mikhail Ratgauz und Andrei Kartashov.

Andrei und eine Werbefigur für eine Fastffoodkette vor dem Kino.

Mikhail übergibt die DCP von "BERLIN CHAMISSOPLATZ" an eine Vertreterin des Kinos in Novosibirsk.

Das Publikum heute bei "MADE IN GERMANY UND USA"

Und hier Filmszene mit russischen Untertiteln. Die digitalisierte Version auf einer großen Leinwand mit einem nicht deutschsprachigen Publikum war für mich ein ganz neuer Film, den ich so noch nie gesehen hatte. Ich merke, meine alten Filme halten es aus in Licht der großen Filmwelt gesetzt zu werden. Jedenfalls hier in Russland. Eine junge Frau sagte mir beim Rausgehen: "It's a great Film."
Weil der Film so lang war, musste das Publikumsgespräch von vornherein ins Foyer verlegt werden. Ich habe in Deutschland noch nie so intelligente und auf die besondere Art des Films eingegehende Fragen bekommen. Am liebsten würde ich hierbleiben und noch einmal drei neuere Filme zeigen wollen.
03.10.15  




Heute Morgen in St. Petersburg geht gerade die Sonne auf, aber es weht noch immer ein eisiger Wind. In Schönefeld brauchen die Leute von Global Ground Ewigkeiten, das Gepäck auf die Bänder zu laden. Aber dafür ist es in Berlin schön warm. So schön es in St. Petersburg war, wieder zuhause zu sein, ist genau so schön.

04.10.15  
Den Morgen verbringe ich mit der Buchhaltung für das III. Quartal 2015. Die Rechenmaschine, mit der ich die Kassenabrechnung mache, ist inzwischen 38 Jahre alt. Ich empfinde dabei inzwischen ein tiefes Gefühl von Befriedigung. Nur das Anfangen ist immer noch eine Hürde für mich. Früher musste ich dabei Wein trinken, um diese zu überwinden.
Am Nachmittag kaufe ich bei einer Firma in Südkorea endlich "Hill of Freedom" von Hong Sang-soo (LINK). Dafür brauche ich ca. eine Dreiviertelstunde. Besonders einfach machen die einen Online-Kauf wirklich nicht.
Danach gehe ich mit Joya und Philipp essen in mein thailändisches Lieblingsrestaurant in der Friesenstraße. Sie sind beide erkältet und bekommen von mir vorher Calcium Frubiase.

Beide fliegen Mitte Oktober in die USA. Von dort nach Mexiko und dann nach Kuba. Erst kurz vor Weihnachten sind sie wieder zurück.

Joya sagt mir, ich sei voller Energie nach St. Petersburg. So als würde ich einen neuen Film vorbereiten.
05.10.15  

Mein Energiepegel ist heute nochmal gestiegen. Ich bin wieder auf meinem Bauernhof und sehe die Zukunft in einem rosigen Licht.

Allerdings Geschäfte anbahnen und im Garten arbeiten kann ich nicht gleichzeitig. Heute konzentriere ich mich auf das Erstere. Vielleicht ist das Wetter auch morgen so schön wie heute.

06.10.15  


Punkt 7 Uhr erreicht mich ein Anruf meiner früheren Frau. Nichts Schlimmes versichert sie mir. Ich unterbreche das Telefonat, weil der Himmel immer nur für wenige Minuten so rosarot ist.
Beim Fahrradfahren mit dem Rad meiner ägyptischen Freundin (weil da der Lenker richtig hoch ist und meine Arme nicht belastet werden) bin ich beim Absteigen irgendwie hängen geblieben und samt Fahrrad umgefallen. Nichts weiter passiert bei uns beiden. Trotzdem peinlich. Hoffentlich hat es niemand im Dorf gesehen.

Mein Mittagessen. Nur der Kartoffelbrei ist aus frischen Kartoffeln gemacht. Rotkohl und Buletten sind Fertigkost und schmecken dem entsprechend.

Zwischen den Pflastersteinen im Innenhof färbt sich diese winzige Pflanze auch herbstlich rot.

Der Wilde Wein, der im Garten die Trockenheit überlebt hat, wird von Tag zu Tag röter.

Mein zweites großes Projekt in diesem Jahr im Garten (das erste war die Bekämpfung des japanischen Knöterich) habe ich seit April total vernachlässigt. Alles in und außerhalb der 100 Quadratmeterfläch war da inzwischen zugewachsen. Jetzt gehe ich es wieder an. Vor allem um den Kastanienbaum herum muss alles frei sein, denn einer der Gründe für das Entfernen der Ligusterhecke war die Bekämpfung der Miniermotte. AlleKastanienblätter müssen vor dem Winter verbrannt werden.
Während ich das schreibe, schickt mir Professor Tagaki aus Japan den Text, mit dem er mich in einem Flugblatt für die Vorführung meiner Filme vorstellt:
Rudolf Thome, geboren 1939, wird am 14. November, seinem Geburtstag, den er zum ersten Mal in Japan feiern wird, 76 Jahre alt. In den sechziger Jahren befreundete er sich in München mit Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, Peter Nestler, Klaus Lemke. Fasziniert von den Filmen von Jean-Luc Godard, Howard Hawks und Yasujiro Ozu, begann er, selber Filme zu machen. Seine Erzählweise, Liebesverhältnisse von Frauen und Männern humorvoll und traumhaft darzustellen, kennzeichnet bis heute seine Filme. Was Thomes Filme durchfließt, ist, wenn man mit den Worten von Max Zihlmann sagt, die „Liebe zum Zelebrieren des Alltäglichen“. In immer wiederholten alltäglichen Szenen mit Säuseln der Blätter, Zirpen der Vögel und Zittern der Seefläche trinken seine Heldinnen und Helden Wein, kochen Spaghetti, schwimmen, spazieren und tanzen. Thome filmt die Details des Alltäglichen: ihre flüchtigen Gebärden, Mienen, Blicke und zeigt sie in ihrer Bildlichkeit als „Tableaux vivants“ (Hans Zischler), wie er sagt, er mache Dokumentarfilme über Schauspieler, die ein Drehbuch spielen. Die französische Zeitschrift, Cahiers du Cinéma, hat ihn einmal als den „wichtigsten unbekannten deutschen Regisseur“ bezeichnet.
Morgen werde ich definitiv mit den Autobiographie-Notizen weitermachen. Ich beginne mit dem Jahr 1982 und schaffe es vielleicht bis zur Reise nach Kyoto bis 1988. Denkwürdig jedenfalls ist, dass ich in diesem Zeitraum zum dritten Mal geheiratet habe.

07.10.15   Wenn meine Mutter noch lebte, würde sie heute 110 Jahre alt. Aber sie ist gestorben, als ich 14 Jahre alt war. Draußen regnet es. Das ist gut, denn ich kann weder Fahrradfahren, noch im Garten arbeiten:
Nach sechsmonatiger Pause beginne ich wieder mit den Autobiographie-Notizen.
!982 war vor allem das Vorbereitungsjahr von "SYSTEM OHNE SCHATTEN". Ich finde bei mir im Keller einen Text von Jochen Brunow mit der Überschrift:
"Das Drehbuch von SYSTEM OHNE SCHATTEN hat drei Wurzeln.
Als wir nach Abschluß der Dreharbeiten von Berlin Chamissoplatz in Italien am Strand lagen und auf das okay vom Kopierwerk für die Rückfahrt warteten und eigentlich völlig erschöpft waren, da sagte Rudolf: jetzt mußt du dir eine neue Geschichte ausdenken. Nach einer Stunde in der Sonne am Strand habe ich ihm dann eine Geschichte erzählt, die die wesentlichen Momente des späteren Buchs im Ansatz bereits enthielt: ein Betrugsmanöver mit einem Computer, ein Mann, der von einem anderen zu dieser Tat verführt wird. Und sehr schnell kam dann auch noch eine Frau dazu, deren Rolle zwischen den beiden nicht ganz klar, aber doch sehr selbständig sein sollte.
Später habe ich mit Rudolf mal beim Italiener in der Uhlandstraße gesessen und wir haben über Schauspieler gesprochen. Rudolf hatte gerade Bruno Ganz auf einem Flug kennengelernt. Wir stellten uns eine Traumkonstellation zusammen und kamen auf Bruno Ganz und Hans Zischler und Juliet Berto…"

Am 18. Januar sagt Hanns Zischler zu. Am 22. Januar fliege ich zu Heinz Ungureit, Spielfilmchef beim ZDF. Von da nach München, spreche mit Frau Baumbauer, der Agentin von Bruno Ganz. Mit Bruno Ganz hatte ich 100.000 DM abgemacht. Sie bringt mich auf 110.000 DM (10.000 DM war ihre Provision). Am 26. Januar bin ich in Rom und treffe Maria Schneider in einem Café an der Piazza di Spagna und erzähle ihr die Geschichte. Ihr gefällt es nicht, dass sie eine heterosexuelle Rolle spielen soll und wirkt auch ziemlich verschlossen. Aber wenn sie lächelt wirkt das auf mich so, als ginge die Sonne auf. Am nächsten Tag will sie mich zurückrufen und gemeinsam mit ihrer Freundin mit mir aufs Land fahren. Sie hat nicht angerufen. Am 28. Januar bin ich in Paris und treffe Juliet Berto.



Diese Woche im Terminkalender. Was würde ich ohne diese Termnkalender machen!

Dieses kleine Ahornbäumchen, das seit März in einem Blumnetopf im Hof gestanden ist, wird heute von mir richtig eingepflanzt, denn ich liebe die gelben Blätter im Herbst.
Außerdem muss ich wieder jede Menge Walnüsse aufsammeln. Der Regen beschleunigt das Herunterfallen.

Als kleiner Junge in Wallau habe ich es geliebt, nach dem ersten Frost Schlehen zu essen. Ein Strauch am Rande meines Gartens hat wieder welche.
08.10.15   Der Dauerregen draußen macht mir heute zu schaffen. Mit dem Spiegel bin ich durch. Ich ziehe mich zurück, in mein altes Arbeitszimmer, in dem ich schon früher tausende Seiten verschlungen habe, denn vor dem Internet war ich eine totale Leseratte. Hier lese ich heute weiter in "Sterben" von Knausgård.

Damit ich nicht auf dem Trockenen sitze, habe ich mir vorsorglich schon mal den zweiten Band "Lieben" bestellt.
Zu den Autobiographie Notizen: seit gestern überlege ich, wie es in 1982 um mein Liebesleben bestellt war. Obwohl da schon mehrere Frauen den Weg in meine Wohnung in der Fidicinstraße und noch mehr in meine "Laube" fanden (wie Jochen Brunow ab Juni mein Haus im Feldstedter Weg nannte), war ich nie verliebt. Die Liebe erfasste mich erst wieder kurz vor Drehbeginn von "SYSTEM OHNE SCHATTEN". Zu den Frauen in der Laube gehörte auch eine Frau, die ein Drehbuch für mich schreiben wollte. Sie kam mit ihrer Freundin. Wir waren am Abend zusammen essen, haben extrem laut Musik gehört und unendlich viel Wein getrunken, vielleicht auch getanzt und kamen, als es Zeit zum Schlafen wurde, auf die Idee, gemeinsam in einem Bett zu schlafen. Ich muss gestehen, dass ich diese Idee sehr reizvoll fand. In meinen Filmen später gibt es ja öfter solche Konstellationen. Die Drehbuchautorin wollte vor dem Ins-Bettgehen noch Duschen. Ihre Freundin und ich zogen uns aus und legten uns ungeduscht ins Bett und unsere Körper fingen an sich kennenzulernen. Nur ein ganz kleines bisschen! Als die Drehbuchautorin aus der Dusche kam, hat ihr die Situation überhaupt nicht mehr gefallen und hat ihre Freundin auf das Bett in einem anderen Zimmer geschickt und mir ihre ungeteilte "Liebe" geschenkt. Aus heutiger Sicht denke ich nicht, dass ich damals etwas besonders Großartiges verpasst habe. Denn danach war ich immer langfristig mit jeweils einer Frau zusammen und habe diese auch geliebt. Dann träume und mache ich sowas nicht.
Im übrigen hat in diesem Jahr Jochen Brunow für mich ein neues Drehbuch mit dem Titel "Die Bank" geschrieben und auch Max Zihlmann mit dem Titel "Licht und Schatten". Für beide Drehbücher bekam ich keine Förderung.
09.10.15  

Hochbetrieb um 7 Uhr morgens. Der linke Laptop brennt meine Kurzfilme für einen Kritiker in New York, auf dem großen Computer rechts, der mein Archiv enthält, suche ich die Dialogliste für "ZWEI BILDER" für Kyoto. Der mittlere Computer ist für meine tägliche Arbeit.

Vom alten Walnussbaum sind nur noch 3 oder 4 Walnüsse runtergefallen, vom jungen gestern und heute umso mehr. Mit "Sterben" von Knausgård bin ich fast durch. Das Ende, das den Tod des Vaters schildert, deprimiert mich.
Zu den Autobiographie Notizen: Vor allem ging es in diesem Jahr um die Finanzierung von "SYSTEM OHNE SCHATTEN", Die FFA hat am 18. März abgesagt und nach meinem Widerspruch am 5. Mai zugesagt. Am 8. Juni kam auch die Zusage vom BMI und dann als letzte Förderungsinstitution am 30. August .die Berliner FKT. Kein Fernsehsender war bereit, sich an der Finanzierung zu beteiligen.
Nach meinem Einzug in die "Laube" weit, weit draußen in Lichtenrade am 1. Juni wurde es sehr heiß in Berlin. Innerhalb einer Woche habe ich die Temperaturen im Terminkalender festgehalten: 28, 32, 33, 34, 34, 34 Grad. Als erste Besucherin kam Cynthia Beatt mit dreißig Blumentöpfen voller Marihuanapflanzen. Sie hat sie bei mir in dem ziemlich großen Garten eingepflanzt und kam danach ca. zweimal pro Woche mit S-Bahn und Fahrrad, um sie gründlich zu wässern. Allerdings nur wenn keine anderen Frauen da waren. Da hat sie auch einmal für mich die Tarot-Karten gelegt, und ich war fasziniert. Ein paar Tage später ruft mich Max Zihlmann an und fragt mich ob mich eine moderne Version von Goethes Wahlverwandtschaften, in der Tarotkarten ein wichtige Rolle spielen, interessieren würde. Ich erzähle ihm von meiner Erfahrung und sage ja.

Zweieinhalb Monate später sind sowohl die von mir gepflanzten Tomaten (vorne) und die von Cynthia gepflanzten Marihuanapflanzen (hinten) ganz schön groß geworden. Ich hatte keine Ahnung, dass es vor allem um die Blüten dabei geht, weiß nichtmal ob da überhaupt Blüten waren, aber die Blattspitzen beim Rauchen lösten auch schon ein schönes Gefühl aus. In dieser Zeit standen im Tagesspiegel nahezu täglich Berichte von entdeckten Marihuanaplantagen. Irgendwann verlor ich die Nerven und hab die Pflanzen alle abgeschnitten.

10.10.15  
Fahrradfahren im Wintermodus. Mit Mütze und Handschuhen.



Die Briefträgerin bringt mir Lesenachschub. Das erste Buch habe ich mir selbst empfohlen. Das zweite meine Freundin aus Internatszeiten. Meine ägyptische Freundin sagt mir heute beim Skypen, dass sie es in diesem Sommer gelesen hat, als sie alleine in Berlin war. Ein amerikanischer Freund hat es ihr geschenkt.
Zu den Autobiographie Notizen: Die getrockneten Marihuanapflanzen habe ich dann später in der Fidicinstraße in einem Kachelofen alle verbrannt. Es hat ganz schön gestunken. Im März habe ich dann auch noch eine kleine Rolle als deutscher Filmregisseur aus den Zwanziger Jahren bei Danièle Dubroux (LINK) gespielt. Meine Partnerin war Romy Haag. Die hatte gegenüber dem alten Arsenalkino ein Cabaret Chez Romy Haag, wo ich auch einmal war. Mein Gott, diese Frau war tough!
Am 10. Juni steht in meinem Terminkalender "Fassbinder gestorben"! Am 22. Juni bin ich mit Jochen Brunow nach Utrecht gefahren, weil dort Laurie Anderson aufgetreten ist. Er war ein Fan von ihr, ich hatte noch nie etwas von ihr gehört. Er hatte eine Szene mit ihr in sein Drehbuch geschrieben. Nach dem Konzert haben wir mit ihr gesprochen, und sie war bereit bei "SYSTEM OHNE SCHATTEN" mitzumachen und ihren Song "Closed Circuit" zu singen.
Am 25. Juni erhielt ich den Gildepreis als zweitbester deutscher Film für "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Martin Schäfer hat dann später bei mir im Büro auf dem Preis-Dokument das "zweit" durchgestrichen.
Am 28. Juni habe ich einen zwei-oder dreiwöchigen Sommerkurs bei der Berlitz-School gemacht. Eigentlich wollte ich Italienisch sprechen lernen. Aber der Chef dort, ein Franzose, hat mich dazu überredet, dass ein Französischkurs sehr viel besser sei. In dem Kurs war ich der einzige Mann. Um mich herum ca. 15 junge Mädchen. Eine von ihnen hatte gelbgrüne Raubtieraugen. Sie hat mich, als eine Stunde zu Ende war, gefragt, ob ich nicht mit ihr ein Eis essen wolle. Klar hatte ich in dem Moment Lust, ein Eis zu essen.
11.10.15  




Ankündigung meiner Retrospektive im November in Kyoto.
Beim Fahrradfahren weht ein eisiger Wind. In der Nacht hatte es minus 0,2 Grad. Heute Nacht soll es noch kälter werden. Es wird Winter. Neun Rehe kreuzen meinen Weg. Für ein Foto sind sie viel zu weit weg.
Zu den Autobiographie Notizen: Das Mädchen mit den gelbgrünen Raubtieraugen hat eine Menge bei mir in Bewegung gesetzt. Sie war 19, ich 43. Ich habe angefangen, für den Berlin-Marathon zu trainieren. Nach meinem ersten Trainings-Lauf über ca. 5.000 Meter war ich so durcheinander im Kopf, dass ich für einige Zeit nicht mehr nach Hause gefunden habe. Danach habe ich erstmal Bücher gekauft, wie man sich am besten auf einen Marathon vorbereitet. Ich habe das Goldene Sportabzeichen gemacht. Bin mit der 19-Jährigen um den Nikolassee gelaufen. Bin mit ihr in einem kleineren See neben der Autobahn nackt schwimmen gegangen, war auf dem Teufelsberg und auch an einem Sonntag im Spreewald. Ich trug Flipflops. Das fand sie für unseren Ausflug so umpassend, dass wir uns gestritten und danach getrennt haben. Vorher hatte sie mich sogar ihrem Vater, einem Arzt, vorgestellt und auch ein oder zweimal bei mir geschlafen. Sex war für sie ein Tabu, aber auch ohne richtigen Sex war ihr Körper für mich sehr aufregend.
Während dieser Zeit hat meine damalige Frau Karin Thome (wir waren noch nicht geschieden) unseren Sohn Max für eine Woche bei mir gelassen. Ich habe für uns beide gekocht, wir sind schwimmen gegangen und er durfte in der Nacht so lange fernsehen, wie er wollte. Immer wieder hat er gesagt, Papa heute keine "Bienchen". Mit diesem Wort habe ich anscheinend die Mädchen bezeichnet, die immer wieder auftauchten.

Wer uns beide da fotografiert hat, weiß ich nicht, vermutlich irgendein "Bienchen". Max war damals 11 Jahre alt. Am Freitag vor einer Woche habe ich ihn auf einer riesigen Leinwand bei "MADE IN GERMANY UND USA" in St. Petersburg wieder gesehen. Bei den Dreharbeiten war er 3 Jahre alt. Danach habe ich ihn erst 1987 in Los Angeles wieder gesehen. Er hatte Leukämie, aber es ging ihm sehr schnell besser. Wir haben zweimal miteinander Schach gespielt. Das erste Mal hat er gewonnen, das zweite Mal ich. Er hat Sushi geliebt. und wir haben zusammen immer wieder Sushi gegessen. Ich habe ihm versprochen, solltest du einmal mein Knochenmark brauchen, werde ich es dir geben. Er wollte Filme machen wie Steven Spielberg. Nicht wie ich und hatte wohl auch schon ein Drehbuch geschrieben.

12.10.15  
Alle meine Walnüsse. Ein paar werden noch dazu kommen.
Gestern Morgen wollte ich mit meinem Rasentraktor, Rasen mähen. Aber der sprang nicht an, obwohl ich den Akku über Nacht geladen hatte. Er machte nur ratatatata. Die Firma, die ihn sonst immer zur Reparatur abholt, sagte mir, der Akku ist am Ende seiner Lebenszeit angekommen, schrauben Sie ihn ab und holen Sie sich einen neuen. Sowas hätte ich früher mit links gemacht, heute muss ich all meinen Mut zusammennehmen, finde auch nach einigem Suchen den passenden Ringschlüssel und schaffe schließlich sowohl den Aus- wie auch den Einbau. Keine Frage, ich werde sichtbar alt.





Eine Sonnenblume auf dem Feld hinter meinem Garten.
Zu den Autobiographie Notizen: Am 26. September habe ich zum ersten Mal am Berlin-Marathon teilgenommen. Jochen Brunow ist mit dem Fahrrad neben mir hergefahren. Bei Kilometer 28 habe ich aufgegeben. Zuviele Dinge taten mir weh. Anfang Oktober habe ich die Wohnung meiner Nachbarin dazugemietet, in Eigenarbeit einen Mauerdurchbruch gemacht, eine Gasetagenheizung in der gesamten Wohnung einbauen lassen. Am 16. Oktober bin ich nach Paris geflogen, um Dominique Laffin ("Die Frau, die weint") zu treffen. Juliet Berto hatte abgesagt, weil sie angefangen hat, ihren ersten eigenen Film vorzubereiten.
Mit Martin Schäfer, der in Paris lebte, habe ich sie in einem Krankenhaus besucht. Sie hatte sich ein Bein gebrochen. Martin hat Fotos von ihr und von uns beiden gemacht. Ihr Arzt war der Meinung, dass bis zu den Dreharbeiten ihr Bein wieder in Ordnung sei. Also habe ich mit ihr einen Vertrag gemacht.
Am 6. November war ich bei Hanns Zischler zum Abendessen eingeladen, hatte vorher leider 2 Flaschen Rosee getrunken. Ein Polizeiauto hat mich kurz vor seiner Wohnung gestoppt. Ich sei Schlangenlinien gefahren. Ein obskurer Arzt hat mir auf dem Polizeirevier Blut abgenommen. Wenn ich mich recht erinnere, waren es 1,7 Promille. Die haben mich in eine Zelle gesperrt. Nach einigem Hin und Her durfte ich Hanns Zischler anrufen. Der hat dann später im Revier angerufen und daraufhin durfte ich wieder in die Freiheit und bei ihm zu Abend essen. Meinen Führerschein allerdings musste ich im Polizeirevier lassen.
Am 30. 11. und 1. 12. drehen wir im damaligen Hebbel-Theater die Szenen mit Laurie Anderson und Hartmut Bitomsky. Das Bühnenbild war Jochen Brunows Idee. Da waren jede Menge Neonröhren und unendlich viel Sand auf der Bühne. Er hat ihn wohl selbst dahingeschaufelt und hatte hinterher Rückenschmerzen.
Laurie Anderson wurde bei einem Auftritt in Paris ein elektronisches Gerät, mit dem sie ihre Stimme verfremden konnte, gestohlen, und das sie für ihre Szene unbedingt brauchte. In ganz Berlin gab es nur ein Exemplar. Wir haben es für sie besorgt.
Am 8.. Dezember ist Petra Seeger, meine Regieassistentin, zu mir in die "Laube" gezogen, denn wir waren inzwischen ein Paar. Wie es genau zu dieser "Paarbildung" gekommen ist, kann ich meinem Terminkalender nicht entnehmen. Wir waren jedenfalls danach sehr lange ein Paar und ganz schön glücklich miteinander,
13.10.15  
Screenshot von Laurie Andersons Szene im Hebbel-Theater.

Laurie Anderson nah.
Zu den Autobiographie Notizen: Ich habe Jochen Brunow gefragt, ob er sich an mehr Details als ich erinnert. Er schreibt mir das Gerät, das Laurie Anderson in Paris gestohlen wurde, war ein Vocoder. Außerdem schreibt er dazu: "Leider drehte der Regisseur Thome eine Aufnahme nach der anderen und ignorierte trotz mehrfachen Interventionen des Produktionsleiters Brunow völlig die Deadline, die der für die Benutzung des Theaters ausgehandelt hatte. Die Bühne musste rechtzeitig für die Abendvorstellung des Hebbeltheater vollständig geräumt sein. Auf Grund der Zeitverzögerung half der Produktionsleiter bei der dringenden Räumung  der Bühne und zog sich beim hektischen Sandschippen einen Bandscheibenvorfall zu."
Am 11. Dezember kam Dominique Laffin in Berlin an, denn sie sollte so lange wie möglich in der Berlitz-School deutsch sprechen lernen. Das hat sie dann auch gemacht. Von morgens bis abends mit 3 verschiedenen Lehrern deutsch gesprochen. Wir hatten für sie kein Hotelzimmer sondern eine kleine Apartmentwohnung gemietet. Am 12. Dezember bin ich mit ihr zu einer Geburtstags-Party bei Christa Maerker gegangen. Da ist mir nach einer Weile aufgefallen, dass sie jedes Weinglas ruckzuck leer getrunken hat. Ich hatte nach zwei Stunden das Gefühl, dass es jetzt Zeit für sie ist, nach Hause ins Bett zu gehen, denn am nächstem Morgen sollte ihr erster Berlitz-Tag beginnen. Ich habe sie zu ihrer Wohnung gefahren und mich an ihrer Wohnungstür von ihr verabschiedet und bin dann in die Fidicinstraße gefahren. Jetzt wo ich das schreibe, fällt mir auf, dass ich zu diesem Zeitpunkt keinen Führerschein hatte. Bin ich etwa jedesmal Taxi gefahren? Bin ich ohne Führerschein gefahren? Oder hat Petra Seeger mich da gefahren?
Auf jeden Fall ruft mich am nächsten Morgen der Chef der Berlitz-School an und sagt, dass Dominique Laffin nicht aufgetaucht ist. Ich fahre sofort zu ihrer Wohnung. Die Türe steht offen, und sie ist nicht da. Ich rufe Jochen Brunow an. Wir treffen uns in der Fidicinstraße, die ja jetzt Produktionsbüro ist. Wir suchen überall nach Dominique: Krankenhäuser, Polizei, ihre Agentin in Paris. Nach einer Weile ruft die Agentin uns zurück und sagt uns, eine Polizeistreife habe Dominique hilflos an einem Bürgersteig aufgefunden und ins Revier gebracht. Von dort aus habe Dominique sie angerufen. Jochen Brunow oder ich haben sie dann da abgeholt und entweder in ihre Wohnung oder zur Berlitz-School gebracht. Nach diesem extremen Abenteuer ist Dominique Laffin jedenfalls immer eine brave Schauspielerin geblieben und unser Produktionsbüro war ihr behilflich, wenn sie sich einsam gefühlt hat, Bei den Dreharbeiten von "TAROT" haben wir erfahren, dass sie gestorben ist. Martin Schäfer hat sie beim Drehen genauso geliebt wie ich.

Bei der ersten Begegnung mit Hanns Zischler.

Zwei Gangster haben Bruno Ganz im Flugafen von Zürich überwältigt. Sie bleibt allein zurück.
14.10.15  

Der Dauerregen draußen und das Lesen von Knausgård machen mich heute depressiv. Habe keine richtige Lust, etwas zu kochen.

Seit nunmehr 4 Tagen esse ich diese sicherlich gesunde Kombination. Wenn ich was arbeite, geht es mir besser.
Zu den Autobiographie Notizen: In Berlin ist es kalt und grau. Wir drehen die Berliner Szenen von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" zum Glück überwiegend innen.

Eine echte illegale Spielhölle in der Gegend um den Stuttgarter Platz. Der Chef (mit Brille und Zigarette), ein König in seinem Reich mit viel Charisma, gibt mir ein paar Hundertmarkscheine, damit ich kennenlerne, wie das Spiel funktioniert. Ich gewinne in kurzer Zeit damit einige tausend Mark. Ich sage, so leicht geht das. Er sagt, wenn du dein eigenes Geld gesetzt hättest, hättest du nicht gewonnen. Ich glaube ihm.

Beim Dreh in der Spielbank Berlin bestehe ich darauf, mit echten Chips drehen zu wollen. Wir hatten viele Komparsen. Bei der Rückgabe fehlten in meiner Erinnerung ungefähr zweitausend Mark. Jochen Brunow und ich haben beraten, was wir jetzt machen. Ich habe gesagt, ruf die Polizei. Die kam dann. Die männlichen Komparsen wurden von männlichen Beamten, die weiblichen Komparsen von weiblichen Beamten durchsucht. Das hat endlos lange gedauert. Die Chips wurden nicht gefunden. Ob auch das Filmteam und die beiden Hauptdarsteller untersucht wurden, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall fühlte ich mich am Ende sehr schlecht und hätte lieber die Polizei nicht gerufen. Jochen Brunow mailt mir, dass er es geschafft hat, gemeinsam mit dem Spielbankdirektor, die Leibesvisitationen abzubrechen, um den nächsten Drehtag zu retten.

Im Nord-Südkino in Zürich schauen sich Dominique Laffin und Bruno Ganz "La Femme qui pleure", an.

Es könnte sein, dass wir die Szene im Kino im Yorck-Kino in Berlin gedreht haben.

In der Schweiz hat es, als wir in der vorgesehenen Berghütte angekommen sind, über Nacht frisch geschneit. Das war ein Wetterwunder und hat mich glücklich gemacht. Da Dominques Bein noch immer geschont werden musste, haben Hanns Zischler und Bruno Ganz sie abwechelnd zur Hütte Huckepack hochgetragen. Dominique hat das Huckepacktragen geliebt.
Am 13. Februar 1983 war Drehschluss. Beim Schlussfest in Zürich hat mir Bruno Ganz eine Flasche Mouton Rothschild spendiert und gesagt, dass ich sie alleine trinken muss. Das habe ich getan, und es war ein Erlebnis. Fast wie eine Droge. Dem Filmteam spendierte Bruno Ganz eine Magnumflasche Mouton Rothschild.
Am 14. Februar bin ich mit Jochen Brunow im Audi Quattro zurück nach Berlin gefahren. Bruno Ganz ist zurückgeflogen und konnte in der Berliner Schaubühne rechtzeitig seine Rolle als "Hamlet" weiterspielen.

15.10.15   Heute Morgen um 6 Uhr ein dumpfer, lauter Knall. Ich schaue nach, ob bei mir im Haus alles in Ordnung ist und sehe eine halbe Stunde später dann Feuerwehr, Notarzt auf der anderen Seite des Dorfteichs.



Drei Stunden später wird dieser Transporter abgeschleppt. Er ist gegen eine Hausmauer gefahren und dabei ist Benzin ausgelaufen, sagt mir ein vorbeikommender Dorfbewohner. Ich bin noch immer nicht rasiert und geduscht.


Zu den Autobiographie Notizen: Das Jahr 1983 war dann ausgefüllt mit der Ferigstellung (heute sagt man ja dazu "Postproduktion") von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" und mit Hoffnungen auf eine Festivalteilnahme. Zuerst sah Gilles Jacob für den Wettbewerb in Cannes den Film im Rohschnitt am 24. März. Am 7. Juni sahen ihn Gian Lugi Rondi (Leiter des Festivals) und Callisto Cosulich, Filmkritiker von "Paese Sera"am 7. Juni in München. Beide Festivals haben abgesagt. Gelaufen ist er dann in schließlich in Locarno am 13. August. Manche Kritiker prophezeiten mir einen Leoparden. Bei der Preisverleihung am nächsten Tag saß ich wie auf glühenden Kohlen. Ich war bitter enttäuscht. Auf den Festivals in Taormina und in Kairo ist er dann auch noch gelaufen. Ich bin nicht hingefahren. Vor allem Kairo bereue ich heute bitter.
Danach gab es dann aber auch einige positive Überraschungen. Am 18. Oktober bekam ich meinen Führerschein zurück und konnte endlich wieder selbst Autofahren. Am 21. 10. erhielt der Film bei der FBW das Prädikat "Besonders Wertvoll". Dieses Glück ist mir danach nur noch mit "PARADISO - SIEBEN TAGE MIT SIEBEN FRAUEN" und "DAS ROTE ZIMMER" widerfahren. Am 4. November war Kinostart. In Berlin im Yorck-Kino. Das Arsenal-Kino machte parallel dazu den ganzen November über eine Retrospektive meiner bisherigen Filme. "SYSTEM OHNE SCHATTEN" bekam überraschend positive Kritiken. Helmuth Karasek (†) schrieb im Spiegel: "Thomes Film ist so aufregend und spannend, weil das Dreieck, das da den Coup seines Lebens landet, so aufregend und spannend besetzt ist… (und am Ende seiner Kritik) Thomes Film ist spannend ohne Krimi-Grobheit und er ist sensibel ohne die fatale Wenders-Nabelschau. Er macht Spaß - wenn man Geduld hat." Karsten Witte (†)gestand in "Die Zeit" dass er meine Filmkritiken immer geliebt hat, aber meine Filme nicht. Dieser hat ihm gefallen. Er schrieb: "Seine Filme sind ebenso kalt wie persönlich. Das scheint ein Paradox, das erst durch eine dritte Qualität aufzulösen wäre, die mir bislang fehlte. Das ist die Eleganz des Weitläufigen, die aus Licht eine freie Bahn für die Bewegungen der Gefühle schafft. "System ohne Schatten” - das Drehbuch schrieb Jochen Brunow - ist ein eleganter Film, der mit den Gefühlen, mit Gegenständen, mit Träumen und schließlich auch mit den Kinomythen der Neuen Welt spielt, ohne dem Zuschauer je einen Sinnzwang einzureiben."
Am 18. 11. lief "SYSTEM OHNE SCHATTEN" dann auch noch auf den Biberacher Filmfestspielen und ich traf Rüdiger Vogler. Doch das ist eine andere Geschichte, die direkt zum nächsten Film ins Jahr 1984 und 1985 führt. In 1983 war ich dann zum Kinostart noch am 1. 12, in Köln und am 26. 12. in Zürich.
Parallel zu all diesen Dingen hatte ich übrigens angefangen, die Besetzung von "TAROT" vorzubereiten.

Ich erfahre am Abend noch etwas für mich besonders Erfreuliches. Am 23. 11. 2015 zeigt die ARD um 1:55 Uhr meinen Film "SIEBEN FRAUEN".

16.10.15  

Zu den Autobiographie Notizen: Kart-Heinz Oplustil erinnert mich daran, dass er mit Norbert Grob und Norbert Jochum im Sommer 1983 das erste vom Arsenal im November erschienene Buch über mich mitverfasst hat. Und das er im Tagesspiegel einen Artikel über Martin Schäfer (†) unter dem Pseudonym Philipp Kramer, dem Pseudonym von Roger Fritz in "FREMDE STADT", geschrieben hat. Anlass war ein Filmband in Gold für Martin Schäfer. Zu meinem 44. Geburtstag hatte ich die Autoren des Buchs zu einem Abendessen in die Fidicinstraße eingeladen. Es gab ungarisches Gulasch, Salat und als Nachtisch Mousse au chocolat. Das Gulasch war angebrannt, das Mousse war mehr zerriebene Schokolade als Mousse. Danach habe ich beides nie wieder gekocht. Nur der Wein und der Salat waren ok.

Den Audi Quattro konnte ich in Deutschland ohne Führerschein leider nie fahren. Aber mit diesem kalifornischen Führerschein durfte ich immerhin in der Schweiz fahren. Obwohl ich jetzt zum erstenmal lese "Expires on birthday".
Die Begegnung mit Rüdiger Vogler in Biberach lief so. Er kam zu mir in einem Festivalcafé und sagte, er möchte etwas mit mir machen. Und ich dachte, weil er sehr seriös angezogen war: das ist ein reicher Mann, der meine Filme liebt und mir Geld anbieten will. Ich frage ihn daher, in welcher Hinsicht er mit mir etwas machen wolle. Er hat dann gesagt, er sei Schauspieler. Ich war nicht enttäuscht, sondern erleichtert, denn selbstverständlich hatte ich ihn in Wim Wenders Film "Im Lauf der Zeit" gesehen und auch den Film sehr gemocht.
Am 19. Januar 1984 ruft mich Bruno Ganz an und sagt mir zu, die Rolle des Eduard in "TAROT" zu übernehmen.
Es fällt mir auf, dass ich in den letzten 3 Jahren immer wieder, fast einmal wöchentlich, wegen Hämorrhoiden bei der Hautärztin Frau Dr. Helle (†) war. Am 2. März hat sie kapituliert, ich sei zu verspannt und mir ein "Autogenes Training" verschrieben. Das habe ich eine Weile in einer Gruppe gemacht und bald gemerkt, dass das nichts für mich ist.
Am 18. März habe ich meinen ersten Computer, einen Atari 800, gekauft, wollte lernen mit "Basic" zu programmieren, habe aber vor allem "PacMan" und "River Raid" gespielt und wurde nach einer Weile ganz gut darin.
Am 15. April habe ich zum ersten Mal mit einer Scheckkarte am Automaten Geld geholt. Am 10. Mai erfahre ich, dass "SYSTEM OHNE SCHATTEN" keinen Bundesfilmpreis bekommt - und dabei ist es bis heute geblieben! Am 23. Mai kriegt Wim Wenders die Goldene Palme in Cannes.
Und dann ein neuer Film. Petra Seeger hatte 1983 das Drehbuch "ZWEI BILDER" geschrieben. Dafür bekam ich vom BMI 25.000 DM, und vom 21. Juni bis 23. Juni haben wir ihn gedreht. Rüdiger Vogler und Petra Seeger spielen darin die Hauptrollen. Ich eine Nebenrolle. Der Film ist im klassischen Format 1:1,33, in Schwarzweiß und nur mit festen Einstellungen gedreht. Am 17. November läuft "ZWEI BILDER", vermutlich mit japanischen Untertiteln in Kyoto.
Für die Rolle der Ottilie in "TAROT" hatte ich Katja Brunckhorst ("Christiane F.) getroffen. Am 4. Juli hat sie abgesagt.
Am 18. Juli erklärt sich Willy Segler, Redakteur beim ZDF, bereit "TAROT" mit 500.000 DM mitzufinanzieren.
Vom 19. Juli bis 30. August fliege ich mit Petra Seeger nach Santorini in Griechenland. Wir wollen, obwohl wir ins im Jahr davor an Wihnachten getrennt haben, zusammen in Griechenland ein Drehbuch schreiben. Es soll eine Komödie werden. Der Titel des Drehbuchs war "Die Rolle der Frau", schreibt mir Petra Seeger.

17.10.15  
Mir kommt es so vor, als sei dieses Jahr der trübsinnigste Herbst aller Zeiten. Mein Gingko allerdings leuchtet auch ohne Sonne.
Zu den Autobiographie Notizen: In meinem Terminkalender gibt es vom 19. Juli bis 30. August keine Eintragung. Petra Seeger und ich wohnten in einer relativ primitiven Höhlenwohnung, schrieben morgens Drehbuch und lagen nachmittags am Strand. Meistens nackt. Einmal, nichts Böses ahnend, entdeckte Petra Helma Sanders-Brahms mit ihrer Tochter und einem Freund. Ich lag auf dem Bauch und überlegte, ob ich mir nicht doch besser schnell eine Badehose anziehen sollte, fand das dann blöd und begrüßte sie. Ihre Tochter stand direkt in Höhe meines Penis und konnte ihre Augen davon gar nicht mehr wegkriegen. Wir haben uns dann zum Essen verabredet und haben auch später immer wieder mit ihr und Urs Jäggi zusammengesessen und Wein getrunken. Einmal ist Helma total ausgerastet. Petra und Urs Jäggi hatten, in ihren Augen, ein bisschen zuviel miteinander geflirtet.
Ich habe gestern Petra gefragt, ob wir in diesen sechs Wochen miteinander geschlafen haben. Ihre Antwort: "Wir hatten einen Vertrag für unser Drehbuchprojekt gemacht der alles regelte. Arbeitszeiten, Vorgehensweise, Reisekosten Buchrechte etc... Auf mein Betreiben regelten wir auch unser Sexleben und zwar auf die Weise, dass wir es vertraglich sicherheitshalber ausschlossen. D.h. wir beide haben den erneuten Umgang miteinander nach der Trennung gut tarnen müssen als 'seriöses', rein professionelles Unternehmen. Wir sind in den 6 Wochen wo wir da waren allerdings einmal - im Meer - vertragsbrüchig geworden...."
Außerdem schreibt sie mir, dass wir die großen Küchenmesser in der Höhle später versteckt haben, denn bei einer Auseinandersetzung hatte einer von uns beiden einmal plötzlich ein Messer in der Hand.
In Berlin habe ich dann weiter an der Besetzung von "TAROT" gearbeitet, habe Elisabeth Trissenaar, Conny Froboess, Jutta Lampe und Marthe Keller getroffen. "ZWEI BILDER" erhielt bei der FBW am 19. 9. das Prädikat "Wertvoll". Am 16. Oktober hat die FFA die Förderung von "TAROT" abgelehnt. Am 27. Oktober hat die "10-Kommission" die Koproduktion mit dem ZDF genehmigt. Am 14. und 15. November prüfte Herr Semler, Chef der FKT persönlich, bei mir in der Fidicinstraße die Buchhaltung von "SYSTEM OHNE SCHATTEN". Bis auf einen Strafzettel in einer Abrechnung von Jochen Brunow war alles in Ordnung. Er war begeistert von der Tatsache, dass Moana-Film in einem dritten Hinterhof residierte und sagte, Herr Thome dieses Büro dürfen Sie nie aufgeben. Ich habe seinen Rat beherzigt. Meinen Geburtstag habe ich nicht gefeiert. Am 16. November fiel bei minus 3 Grad der erste Schnee.
Am 25. November ist etwas ganz Wichtiges für meine Zukunft passiert. Ich lag schon im Bett. Da rief Cynthia Beatt an und sagte, dass sie mit Anna in einem Restaurant in der Knesebeckstraße sitzt. Ich solle doch dazu kommen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich habe mich wieder angezogen und bin zu den beiden gefahren. Dort hat Anna mich gefragt, warum die Filmhandlung in "SYSTEM OHNE SCHATTEN" dreimal durch Musikszenen unterbrochen wird. Ich habe gesagt, das stand so im Drehbuch. Sie war mit meiner Antwort nicht zufrieden. Ich habe dann erzählt, dass ich im Dezember nach Caracas fliegen könne, um dort "SYSTEM OHNE SCHATTEN" zu zeigen, aber nicht wirklich große Lust dazu habe, denn wer gießt meine Pflanzen? Sie sagt, ich solle das doch machen, das Pflanzengießen würde sie gerne übernehmen.
Ich habe ihr Angebot angenommen und bin am 3. Dezember nach Caracas abgeflogen.
18.10.15   Weil es heute nicht regnet, fahre ich zum Steinpilzgebiet im Wald. Nach all dem Regen müssten da doch welche zu finden sein. Leider sehe ich keinen Einzigen.



An Fliegenpilzen bin ich nicht interessiert. Auch da sind die meisten von Schnecken zerfressen. Das Gift scheint gegenüber Schnecken unwirksam zu sein. Oder werden sie dadurch "high".
Zu den Autobiographie Notizen: Meine Reisegefährten in Caracas sind Wolfram Schütte, Kritiker der "Frankfurter Rundschau" und seine Frau. Beide sind viel unternehmenslustiger als ich. Wir gehen oft zusammen essen und bestellen dann Dinge, von denen ich keine Ahnung habe und sie auch nicht. Wir mieten ein Auto, Wolfram Schütte am Steuer, seine Frau schaut auf die Verkehrsschilder, ich schaue auf den Stadtplan. Wir sind ein gutes Team. Außerdem wählen wir das gleiche Ziel für ein Tourismus-Angebot. Eine Reise in den Dschungel. Zuerst mit dem Flugzeug. Die beiden sitzen hinter mir. Neben mir sitzt ein junges "schwarz-rot-weißes" Mischlingsmädchen mit riesengroßen dunklen Augen. Der Pilot will uns allen einen Gefallen tun und fliegt ganz nah und tief am höchsten Wasserfall der Erde (Alto Angel) vorbei. Da ich am Fenster sitze, kommt das Mädchen mit den Riesenaugen ganz an an mich heran, um den Wasserfall zu sehen. Mir bleibt fast die Luft weg. Nach der Landung in der Nähe einer Bungalow-Anlage im Dschungel haben wir nach dem Abendessen wieder die Auswahl, was wir am nächsten Tag machen wollen. Die Schüttes, das Mädchen und ich wählen eine Kanufahrt auf einem Dschungelfluss. Die Schüttes entscheiden sich schnell für eins von zwei Kanus. Ich versuche, darauf zu warten, in welches Kanu das Mädchen einsteigt. Da das zu lange dauert, gehe ich zu einem der beiden Kanus und setze mich. Kaum sitze ich, kommt auch das Mädchen und setzt sich neben mich. Weil es auf dem Fluss Stromschnellen gibt, müssen wir alle mit den Kanus ein größeres Stück laufen. Das Mädchen läuft neben mir. Sie hat ein Transistorradio und will Musik hören. Ich helfe ihr dann dabei. Sie spricht nur einzelne englische Wörter, und unsere Unterhaltung ist daher etwas mühsam. Am Ziel der Kanufahrt angekommen, steigen wir alle in das Wasser des schwarzbraunenen Flusses. Einer der Indianer, die die Kanus gesteuert und getragen haben, ruft alle aus dem Wasser zurück, denn sie haben eine große Giftschlange im Fluss entdeckt. Ich meine sie auch gesehen zu haben, denn ich liebe Schlangen und habe auch keine Angst vor ihnen.
Nach diesem Abenteuer sitzen die Schüttes und ich am Abend an einem kleinen See, der zu der Bungalow-Anlage gehört. Ich erzähle ihnen von meinem Abenteuer mit diesem exotischen Mädchen. Wolfram Schütte hat nichts bemerkt. Seine Frau sagt mir, sie hat alles mitgekriegt. In diesem Augenblick kommt das Mädchen zu uns und fragt mich, ob ich mit ihr ein Eis essen möchte. Die Schüttes freuen sich mit mir, lachen, und ich gehe mit dem Mädchen Eis essen. In Südamerika im Dschungel!
Am nächsten Tag, beim Rückflug, sitzen wir selbstverständlich wieder zusammen, beide allerdings schon etwas grün im Gesicht. Schütte sagt beim Frühstück im Hotel in Caracas, wo ich nur Melonen und Papayas essen kann: Montezumas Rache. Ich sage, dass ich beim Rückflug über Martinique fliege, weil dort Howard Hawks "To Have and Have Not" gedreht hat. Wolfram Schütte gibt mir sein Exemplar von Carpentiers "Verlorene Spuren" mit auf die Reise. Ich lese das Buch auf Martinique, weil ich mich da sehr einsam fühle und bin begeistert. Am liebsten würde ich daraus sofort "meinen" Dschungelfilm machen. Im neuen Jahr auf Martinique bin ich zuerst einmal ein bisschen gelaufen und vor mir am Himmel gab es plötzlich einen riesigen doppelten Regenbogen. Mir war klar, dass das Jahr 1985 für mich ein wunderbares Jahr wird.

Nachdem ich mein Caracas-Abenteuer beschrieben habe, schaue ich aus dem Fenster und sehe, dass die Sonne gleich untergehen wird. Ich gehe raus in den Garten und sehe dann, dass wegen der Wolken am Horizont heute Abend nichts "Spektakulärses" (sagte mal Joyas Freund Philipp) sonnenuntergangsmäßig stattfinden wird.
Seitdem mich Serpil Turhan im letzten Jahr über mehrere Monate hier auf dem Bauernhof gefilmt hat, fühle ich mich hier einsamer als vorher. Ich habe meine Naivität mit allem, was hier zu tun ist, verloren. Ich hoffe, im nächsten Jahr kehrt sie wieder zurück. Wenn das klappt, sind mir Sonnenuntergänge im nächsten Jahr scheißegal. Jetzt, im richtigen Leben, habe ich mit bald 77 Jahren (meine Gückszahlen) erstmal das Jahr 2016 vor mir. Ich bin gesünder als in den Jahren von 1980 bis 1984. Es könnte für mich in jeder Hinsicht gut ausgehen.
19.10.15  
Mein Mittagessen besteht heute aus Basmatireis, Ente und Rosenkohl. Die koche ich zum erstenmal im Wok, der zum letzten Mal von Cornelius Schwalm benutzt worden ist (er hat in "PINK" immer wieder mal gesungen). Der Wok ist ziemlich schmutzig und hat ein zwei Stellen Rostflecken.
Zu den Autobiographie Notizen: Am 3. Januar 1985 komme ich zurück aus Martinique. Ich lade Anna, weil sie meine Pflanzen gegossen hat, um Dankeschön zu sagen, zum Abendessen ein. Sie sagt, dass sie meine Postkarte aus Caracas bekommen hat. Auf der hatte ich geschrieben: "Hier sehen alle Mädchen aus wie Du." Nach dem Essen bringe ich sie nach Hause. Vor der Haustür erzählt sie mir, dass sie von einem Freund in Amerika, einem Psychotherapeuten, "Bliss" geschickt bekommen hat. Eine Droge von der ich noch nie gehört hatte. Ich bin Feuer und Flamme und möchte sie sofort zusammen mit ihr ausprobieren. Sie hat keinerlei Einwände. Wir gehen in ihre Wohnung. Sie zeigt mir alles, vor allem ihr japanisches Schwert. Sie gibt es mir in die Hand, und ich ziehe das Schwert, um es genauer anzuschauen aus der Scheide. Das hätte ich besser nicht getan. Denn sie giftet mich sofort an, ich hätte keinen Respekt vor der Waffe usw. Ich bin geschockt, entschuldige mein Nichtwissen im Umgang mit japanischen Schwertern. Sie sieht das ein, entschuldigt sich für ihre spontane Reaktion und schließlich schlucken wir beide die Bliss-Pillen. Ok, "bliss" auf deutsch heißt "glücklich". In den USA haben Psychotherapeuten, erzählt sie mir, Bliss Patienten gegeben, damit sie sich öffnen. Ich stelle nach einer Weile fest, vielleicht lagen wir da schon zusammen im Bett, dass das Sich-öffnen und das Glücklichsein unglaublich aufregend funktioniert. Ich denke, wir haben die ganze Nacht miteinander geredet.
Am 6. Januar laufe ich in der Hasenheide bei minus 12 Grad 7 Runden (17,5 km) und habe dabei 76 kg gewogen, was ich damals für mein Idealgewicht hielt. Offensichtlich war ich damals ganz schön knackig.
Am 15. Januar erhalte ich von der FFA die Auskunft, dass sie mein Filmprojekt "TAROT" mit 250 TDM finanzieren. Am 19.Januar ruft mich Frau Baumbauer an und sagt für Bruno Ganz ab, weil eine fünfteilige Fernsehserie "Väter und Söhne" (Regie Berhard Sinkel) bis zu meinem Drehbeginn noch nicht abgedreht ist.
Ich hatte meinen Widerspruch bei der Ablehnung der FFA mit Zitaten aus Filmritiken zu "SYSTEM OHNE SCHATTEN" über Bruno Ganz vorher begründet und gesagt, jetzt wollen wir beide da weitermachen und es mit diesem Film noch besser machen. Die Finanzierungszusage blieb bestehen. Ich brauchte einen neuen Hauptdarsteller. Am 29. Januar fliege ich nach München und treffe Conny Froboess im Hotel "Vier Jahreszeiten". Wir stellen fest, dass wir beide Skorpione sind und mögen uns.
Am 10. Februar besichtige ich mit Anna ein Haus im Langkovelweg 34a, weit draußen in Lankwitz, denn sie will nicht mehr in Charlottenburg wohnen, sondern in einem Haus mit Garten. Ich habe damals nicht weiter darüber nachgedacht, tue das aber jetzt und werde sie fragen. Wieso ein Haus mit Garten? Jedenfalls habe ich da dann 2 Jahre später dort und in der Fidicinstraße "DAS MIKROSKOP" gedreht.
Am 11. März bin ich mit Anna nach Barcelona geflogen, weil die Cinemathek dort eine kleine Retrospektive meiner Filme gemacht hat. Da liefen "FREMDE STADT", "MADE IN GERMANY UND USA", "TAGEBUCH", "BESCHREIBUNG EINER INSEL" , "BERLIN CHAMISSOPLATZ" und "SYSTEM OHNE SCHATTEN". Kaum waren wir angekommen, gab es 2 Stunden später schon eine Pressekonferenz. Am 2. oder 3. Tag in Bareelona rief ich Herrn Semler von der FKT an, ob ich auch von der Berliner Filmförderung Geld bekommen habe. Er sagte, leider nein. Ich war traurig, Anna war erschüttert. Wir hatten vorher in einer Kirche Kerzen aufgestellt, aber bei der Filmfinanzierung zumindest hat das nicht geholfen. Bei den Vorführungen im Kino jedenfalls liebte das Publikum "Tagebuch" und "Fremde Stadt" mehr als die neueren Filme.
Für "TAROT" hatte ich zwar Zusagen über 750 TDM, aber ohne eine weitere Finanzierung waren die wertlos. Ich habe dann Hans Brockmann, meinen Co-Produzenten, angerufen und der hat gesagt, dann holen wir uns das restliche Geld in Bayern, denn da wirst du ja ohnehin den Film drehen. Er war ein Produzent, der alle Wege um Geld zu kriegen, kannte und hat es dann geschafft, dass kurz vor Drehbeginn die Bayernförderung die fehlende Finanzierung übernommen hat. Am 7. Juni war Drehbeginn von "TAROT".

Das Gartenjahr 2015 ist für mich so gut wie beendet. Vielleicht kriege ich nochmal Besuch vom Drehteam des englischen Kurzfilms "Gilt to Gold" im April. Sie wollen noch Nachsprecher von mir aufnehmen.
20.10.15  
Jeden Tag fallen neue Walnüsse zu Boden. In Joyas Zimmer können sie bis Weihnachten in Ruhe trocknen, und ich stolpere nicht darüber und zertrete nicht eine aus Versehen.
Zu den Autobiographie Notizen: Mein Abenteuer mit dem japanischen Schwert und Anna hat mir damals keine Ruhe gelassen. Erstens war ich mit ihr in der Ausstellung "Erde und Feuer" über japanische Töpferkunst, die mich sehr berührt hat. Das Ausstellungs-Plakat hängt in meinem Film "DAS MIKROSKOP" an der Wand, und ich habe in Interviews davon gesprochen, dass meine Art des Filmemachens damit etwas zu tun hat. Ich akzeptiere Fehler und Zufälle beim Drehen meiner Filme. So wie die japanischen Töpfer. Zweitens habe ich Anna ein Buch über japanische Schwertkunst geschenkt und als Widmung hineingeschtieben: "Für meine Frau, die ich liebe, weil sie mit dem Schwert kämpft und weil sie die schönste Frau der Welt ist."



Vladimir Weigl hat in "DAS MIKROSKOP" diesen beiden Frauen geholfen, eine Lampe zu montieren. Er fällt von der Leider, bricht sich den rechten Arm und muss daher mehrere Wochen von beiden Frauen abwechselnd versorgt werden.
Am 20. April fahre ich mit meinem roten Ford Granada nach Wasserburg, um dort Hannah Schygulla zu treffen. 50 Kilometer vor Wasserburg geht mein Motor kaputt und ich muss trampen. Das gelingt und ich bin pünktlich, aber zwischen ihr und mir ergeben sich keinerlei Berührungspunkte. Da ich nicht zurückfahren kann, bietet sie mir an, bei ihr in einem Pfarrhaus in Peterskirchen zu übernachten. Wie ich nach München wieder zurückgekommen bin, weiß ich nicht. Vielleicht mit dem Zug oder wieder per Anhalter. Vielleicht hat mich auch Martin Schäfer dort aufgefischt, denn am nächsten Tag haben wir zusammen den idealen Drehort für "TAROT" gefunden. Ein Haus am Fluss. Fast genau so toll wie den Drehort fanden wir die Besitzerin Poldi. Am 23. April hat sie uns gesagt, dass wir dort drehen dürfen. Da war ich auch schon wieder in Berlin und als erstes beim Zahnarzt. Am 24. April steht im Terminkalender: "Anna. Pacman. 113.240 Punkte". So weit bin ich als ihr Lehrer nie gekommen. Sie war ohnehin ja auch eine sehr viel bessere Autofahrerin als ich. Zwischen Pacman spielen und Autofahren gibt es durchaus Parallelen. Beides muss einem ins Blut übegehen. Denken hilft gar nicht.
Am 26. April vereinbare ich bereits mit Dieter Schwarz, damals Deutschlands Top-Mischtonmeister einen Termin für die Mischung von "TAROT" für den 28. - 30. Oktober 1985. In den nächsten vier Wochen geht bei mir alles durcheinander. Ich entscheide mich für Vera Tchechowa für die Rolle der Charlotte und für Katharina Böhm als Ottilie und teile meine Entscheidungen Willy Segler vom ZDF nur noch mit. Irgendwann in diesem Chaos hat auch die Bayrische Filmförderung per Umlaufbeschluss eine Förderung über 300 TDM zugesagt. So viel Geld hatte ich noch nie vorher und hinterher für einen Film. Mittler, sagt mir Dörthe Völz, meine Cutterin, könnte William Berger (†), den ich aus einigen Italo-Western kenne, spielen. Der dreht in dieser Zeit in Madrid, Almeria und Rom. Ich sehe ihn erst am Drehort. Zwischen all diesem Hin und Her organisiere ich auch noch den Versand einer englisch untertitelten 16mm-Kopie von "BESCHREIBUNG EINER INSEL" nach Australien, denn Cynthia Beatt ist da hingeflogen, um den Bewohnern von Ureparapara den fertigen Film zu zeigen. Es könnte sein, dass ich extra dafür eine englische Untertitelung bei Titra in Amsterdam habe herstellen lassen, denn mit denen habe ich da immer wieder telefoniert.
Der Ford Granada kriegt einen neuen gebrauchten Motor, denn im Film fährt ihn Rüdiger Vogler. Immer wieder gibt es auch Kostümproben mit Gioia Raspé, die zum ersten Mal Kostümbildnerin ist. Am 31. Mai ist Anna in München und übt mit Vera Tchechowa das "Sonnengebet". Am 4. Juni treffe ich George Tabori in den Kammerspielen in München. Er ist bereit, eine Szene für den Film als Theaterregisseur mit Vera Tchechowa für den Film zu spielen, aber will für Veras Partner in der Szene ganz bestimmte Schauspieler aus der Schaubühne in Berlin.
Bei der Kostümprobe von Rüdiger Vogler erzähle ich im voll Stolz, dass ich beim Vertrag mit dem ZDF ein Wiederholungshonorar für alle Schauspieler durchgesetzt habe. Er sagt, meine Filme werden nicht wiederholt. Er hatte Recht. So ist es bis heute geblieben.
Ich wohne während der Drehzeit in Seon, im Abtzimmer in einem ehemaligen Kloster auf einer Halbinsel und laufe während der Drehzeit insgesamt 20 Runden (=80 Km) um denSee.
21.10.15  


Joya und Philipp mit schwerem Gepäck am Flughafen.

Diese Fotos hat mir ihre Mutter geschickt. Ich finde das sehr nett. Nicolai hat ihr über WhatsApp gewünscht: "Guten Flug Schwesterchen." Auch darüber freue ich mich. Irgendwie ist es ein größeres Familienereignis.
Sie brechen auf zu einer zweimonatigen Reise in die USA, Mexiko und Kuba. Sie fliegen mit einer norwegischen Billigfluggesellschaft über Oslo nach Los Angeles. Ich brauche heute morgen mit Hilfe meiner ägyptischen Freundin während wir Skypen ziemlich lange, um ihre Ankunftszeit in die deutsche Zeit umzurechnen. Früher als ich noch selbst diese Strecke geflogen bin, fiel mir das leichter. Ich entschließe mich daraufhin mal wieder meine gewohnte Strecke Fahrrad zu fahren.

Mit Knausgårds "Lieben" bin ich heute fertig geworden. Er ist dramatischer als der erste Band, weil er heiratet, und er und seine Frau Kinder kriegen. Ganz zum Schluss ein bisschen im Zeitraffer sind es drei Kinder, die sich lieben und - wie ihre Eltern - sich bekriegen.

Arme Joya!

Ich leide mit dir, Joya.

Na wenigstens ist dieser Flieger endlich abgeflogen. Auf flight.aware sehe ich noch nichts.
Zu den Autobiographie Notizen: Beim Überfliegen, was ich alles während der Drehzeit von "TAROT" und während der Postproduktion gemacht habe, wird mir schwindelig. Ich bin fast täglich gelaufen, habe nach dem Drehen für den Tagesspiegel wieder Filmkritiken geschrieben und auch noch den Kinostart von "SYSTEM OHNE SCHATTEN" in Paris vorbereitet. Und am 29. September bin auch den Berlin-Marathon in 4 Stunden gelaufen.
Das Drehen war ganz und gar nicht harmonisch. Nach etwa zwei Wochen hatten Hanns Zischler und Rüdiger Vogler erhebliche Einwände gegen die Dialoge von Max Zihlmann. Ich habe dann gesagt, dann improvisiert doch einfach mit anderen Dialogen. Hanns Zischler hatte vorher zu mir gesagt, Rüdiger Vogler als Partner sei wie "eingeschlafene Füße". Aber jetzt beim Improvisieren geschah ein Wunder. Sie haben sich beide gemocht und respektiert. Hans Zischler musste dann für Dreharbeiten eine Woche nach Italien und alles inzwischen Angenehme bei der Arbeit war wie weggewischt. Wir haben beide mit zusammengebissenen Zähnen bis zum Schluss durchgehalten. Und am Ende habe ich zu ihm gesagt, ich drehe nie wieder einen Film mit dir. Mit Rüdiger Vogler hatte ich eine handgreifliche Auseinandersetzung, bei der er schließlich einen Scheinwerfer nach mir geschmissen hat. Vielleicht habe ich ihn darauf etwas hart angefasst oder angeschrien. Er ist jedenfalls ist kommentarlos vom Drehort verschwunden und war für diesen Drehtag nicht mehr auffindbar. Meine Regieassistentin Petra Seeger hat sich dann auf die Suche nach ihm gemacht und ihn am nächsten Tag wieder zum Drehort zurückgebracht.
Meine Produktionsleiterin Gudrun Ruzickova hat mir manchmal Memos von der Produktionsabteilung an die Regieabteilung geschickt. Sowas hatte ich noch nie erlebt. Da ich ja nicht nur Regisseur, sondern auch Produzent war, habe ich gelegentlich den Drehplan umgeworfen und Szenen, die nicht im Drehbuch standen gedreht. Im übrigen war das Wetter während der Drehzeit nicht so schön, wie es im Film aussieht. Es war selbstverständlich immer wieder schlecht. Und in so mancher Szene wurde die nicht vorhandene Sonne durch 10 KW's ersetzt. ARRI war so nett und hat uns für das Drehen sein stärkstes Aggregat zur Verfügung gestellt.
Das Schlussfest wollten wir in unserem Produktionsbüro machen, aber Poldi, die Besitzerin des Anwesens, hat uns gebeten, es doch bei ihr zu machen. Und falls ich bei zukünftigen Filmen einmal ein Problem mit Drehorten habe, wäre sie bereit, für mich und mein Filmteam eine Empfehlung auszusprechen. Am 24. Juli war der letzte Drehtag für Eduard/Hanns Zischler (ich habe dahinter 3 Ausrufezeichen gemacht) und Otilie. Als letzter Drehtag steht bei mir der 25. Juli und auch, dass dieser Tag Poldis Geburtstag war. Ob Hanns Zischler beim Schlussfest noch dabei war, weiß ich nicht. Ich denke eher nicht.
Am 1. August war Schnittbeginn in der Fidicinstraße.

22.10.15  


Joya und Philipp sind um halb 3 Uhr in Los Angeles gelandet. Über den USA zeigt FlightAware den Flug wieder richtig an.

Nach dem Frühstück beginnt der Tag heute für mich mit einem Feuer, mit dessen Hilfe es mir gelingt, wieder Ordnung in der Scheune zu schaffen. Dazu höre ich Musik. Immer noch die "Rolling Stones".
Am Mittag erreicht mich mal wieder eine email aus Nowosibirsk. Sie wollen druckbare Fotos von mir und Standfotos von "BERLIN CHAMISSOPLATZ". Das Plakat auf meiner Website ist ihnen zum Drucken zu klein. Mir bleibt nichts anderes übrig als auf einen meiner zahlreichen Speicher zu gehen, um dort ein möglichst gerolltes Plakat zu suchen. Ich habe Glück und finde eins, befestige es mit blauen Nadeln an einer Stalltür und mache ein Foto in 300 dpi-Auflösung. Das macht Anna (schon wieder eine "Anna" in Russland) glücklich.


Zu den Autobiographie Notizen: Dörte Völz hatte ich schon nach dem Drehen von "MADE IN GERMANY UND USA" kennengelernt. Sie wohnte wie ich in der Uhlandstraße und ich bot ihr an, den Film zu schneiden. Das hat sie abgelehnt, weil sie nach Rom zu ihrem Freund William Berger fahren wollte. Ich hatte mir vorgenommen, sie nie wieder zu befragen. Anna, die mit ihr befreundet war, hat mich überredet, es bei "TAROT" wieder mit ihr zu versuchen. Danach habe ich wohl insgesamt fast alle Filme bis "PINK" mit ihr geschnitten. Beim Schneiden hat sie mir erzählt, dass die neue Freundin von William Berger in Umbrien eine alte Mühle verkaufen wolle. Ich habe ein Buch über Umbrien gekauft und bin schnurstracks mit dem Auto nach Umbrien gefahren und habe mir die Mühle angeschaut. Beim Treffen mit William Berger in einem Restaurant habe ich ihm und seiner Freundin erklärt, die Mühle sei ein geeignetes Versteck für von der Polizei gesuchte Gangster und daher nichts für mich. Ich bin dann postwendend nach Berlin zurückgefahren.
Da der Feinschnitt schon immer für mich langweilig war, habe ich auf meinem Computer im Nebenzimmer ein Linuxsystem installiert. Dazu musste man damals per Hand eine Festplatte mit ganz bestimmten Partitionen formatieren und diverse Programme aus dem Internet runterladen. Als ich es hingekriegt hatte, habe ich einen lauten Schrei vor Glück gemacht.
Am 18. August bin in ganz privat für mich in der Hasenheide zum erstenmal die Marathondistanz gelaufen. Ich wusste also ich schaffe das leicht bis zum offiziellen Berlin-Marathon am 29. September. So war es dann auch.
Am 18. September war ich in München zur Rohschnittabnahme für meinen Coproduzenten Hans Brockmann und für das ZDF. Spät abends bin ich zurückgeflogen. Am 9.+10. Oktober bin ich wieder nach München geflogen. Es gab wohl Probleme mit den Filmtiteln. Fliegen damals war für mich wie Taxi fahren. Erstens waren die Flieger nicht voll und vor allem gab es noch keine Security-Checks. Und billig waren die Flüge auch. Auch ohne Billigfluggesellschaften.
Ich fange an, mir "TAROT" anzuschauen, und bin immer wieder über die Bilder überrascht. Ich denke mein Blog wird in den nächsten Tagen davon voll sein.

Hanns Zischler mit einer Katze im Bett. Total liebenswert.

Ein französisches Ozu-Plakat zu "Ich wurde geboren, aber…" Für mich damals der beste Kinderfilm aller Zeiten. Als er im Arsenal gezeigt wurde, bin ich mit Nicolai reingegangen. Er konnte damit nichts anfangen.

Vera Tchechowa beim Sonnengebet.

Hans Zischler und Vera Tchechova streiten sich in welcher Himmelsrichtung München liegt.


Alle drei spazieren am Flussufer.

Bei einer Szene in München beschimpft Vadim Glowna (†) seine Frau Vera, dass sie nicht Autofahren könne auf Bayrisch. Das war seine erste Filmrolle bei mir. Viele Jahre später haben wir zusammen "INS BLAUE" gemacht. Sein letzter Film. Mein letzter Film.

Das kleine Mädchen fragt die beiden Männer, was ist ein Roman? Sie hatte vorher Vera beim Schreibmaschineschreiben gesehen. Rüdiger Vogler antwortet: Ein Roman ist wie das Leben, nur gedruckt.

23.10.15  


Eigentlich habe ich mich oft auf den Herbst gefreut. Wenn es regnet, denke ich es liegt am Regen. Wenn die Sonne scheint wie heute, fühle ich mich noch immer unwohl. Vieleicht ist die Ursache Knausgård. Vielleicht wirken seine Romane wie schleichendes Gift. Glücksgefühle stellen sich jedenfalls beim Lesen nicht ein.

Ich bin jetzt schon beim dritten Band. Da beschreibt er sein Leben als Kind unter einem absoluten Horrorvater, den er im ersten Band hat sterben lassen.

Zu den Autobiographie Notizen: Beim Weiterschauen von "TAROT" wird mir klar, ohne Martin Schäfer als Kameramann hätte ich diesen Film nicht geschafft. Wir beide waren "the inner circle", das Energiezentrum, das diesen Film möglich machte.

Hanns Zischler holt Ottilie am Bahnhof ab.

Beim Abendessen tauchen erste Probleme auf. Ottilie hat Kopfschmerzen.

Hans Zischler und Otillie gehen Erdbeeren pflücken. Sie spricht davon, dass sie beide sich vielleicht schon einmal in einem früheren Leben begegnet sind.

Rüdiger Vogler erzählt Vera Tchechowa, wie seine Frau Selbstmord begangen hat. Im Drehbuch sollte die Szene woanders stattfinden. Ich fand es richtiger, sie am Fluss zu drehen. Gegen den Willen der Produktionsabteilung.

Eine der wenigen Totalen des Hofs, denn dafür brauchten wir die reale Sonne.

William Berger kommt zum Hochzeitsfest.

Hanns Zischler ist mit Ottilie in "seinem" Teich nackt geschwommen. Vera Tchechowa und Rüdiger Vogler haben die beiden zufällig dabei gesehen.

Die zehnminütige Tarot-Szene. Martin Schäfer hat mit seinen 10 KW's auf der anderen Seite des Flusses eine Art Mondlicht erzeugt. In dieser Einstellung sieht man es nur noch als Spiegelung im offenen Fenster.

Ottilie sagt, was sie bei den einzelnen Karten fühlt. Auf dem Fluss hinter ihr die Reflexion des künstlichen Monds von Martin Schäfer.

Das Drehen der Tarotkarten-Szene war nur möglich, weil ich ihre beiden totalen Feinde Hanns Zischler und Rüdiger Vogler im Fernseher gleichzeitig das Wimbledonspiel von Boris Becker anschauen ließ. Das war am 7. Juli und weil Boris Becker gewonnen hat, habe ich auch gwonnen bei dieser schwierigen Szene.

Jetzt wird geheiratet

Bei den Hochzeits-Szenen entdecke ich zum ersten Mal, dass Syvia Kekule und Max Zihlmann bei den Hochzeitsgästen im Film zu sehen sind.

24.10.15  
Gestern Abend: Skypen mit Nicolai und Ina. Ina zeigt mir ihre neue Wohnung. Und in der Nacht: Joya schickt mir per WhatsApp einen Film aus Kalifornien.

Im Garten ist es jetzt Vollherbst.


Zu den Autobiographie Notizen: Ich mache weiter mit den Screenshots von "TAROT".

Rüdiger Vogler liest Balzac und hört die Geräusche im Haus. Hanns Zischler wollte zu Ottilie, aber ihre Tür ist verschlossen. Daher schläft er mit Vera Tchechowa.

Hanns Zischler versucht am Fluss, eine Entscheidung zu treffen.

Rüdiger Vogler macht Hanns Zischler Vorwürfe. Das Sofa, auf dem sie sitzen, steht noch immer auf meinem Bauernhof. Ich hänge an ihm.

Hanns Zischler verabschiedet sich von Ottilie. Er dreht einen TV-Film in Afrika.

Aus dem Sex ist ein Kind entstanden.

Vera Tchechowa will wieder Theater spielen. Georg Tabori (†) ist ihr Regisseur. Sie ist in München bei einer Probe.

Ottilie kümmert sich inzwischen um das Baby und bekommt einen Anruf von Hanns Zischler. Das Baby fängt an zu weinen, denn ist ihm zu kalt.

Das Baby hat über 40 Grad Fieber. Sie hat einen Arzt gerufen. Den spielt Peter Moland. Zum letzten Mal in einem Film von mir. Er sagt mir, dass er Millionär werden will und hat in München ein Antiquitätengeschäft.

Vera Tchechowa fährt mit Ottilie und dem Baby in ein Krankenhaus. Das Baby stirbt auf der Fahrt.

Hanns Zischler besucht das Grab seines Kindes und sagt später, er habe nichts dabei empfunden.

Otillie hat verucht, das kleine Mädchen vor einem LKW zu retten und wird dabei selbst von ihm erfasst und stirbt später von ihren Verletzungen im Krankenhaus.

Ottilie wird beerdigt.

Vera Tchechowa in München auf der Maximilianstraße kauft sich die neue AZ und entdeckt…

…auch Hanns Zischler ist tot.

Eine Hubschrauber-Aufnahme am Ende des Films. Bis auf Vera Tchechowa und Rüdiger Vogler sind alle tot. Darüber liegen die Abspanntitel, Vielleicht war das von mir eine Message an die Zuschauer. Alles was passiert ist, war nur ein Film. Jetzt könnt ihr ruhig nach Hause gehen.
Über meine Mischung von Distanz und Nähe, die ich bei Goethes "Wahlverwandtschaften" empfunden habe muss ich weiter nachdenken, Aber nicht jetzt.

Nach all den Filmbildern schaue ich aus dem Fenster und sehe das:

25.10.15  
Diese 3 Arbeitsfotos von den Dreharbeiten zu "TAROT" habe ich noch gefunden:

Max Zihlmann und Sylvia Kekulé beim Hochzeitsfest im Film.

Ich führe Regie mit George Tabori.

Beim Drehen der Szene im Fluss. Immer wenn die Kamera im Wasser ist, bin ich auch im Wasser.
Zu den Autobiographie Notizen: Am 4. November war Lichtbestimmung (= Colorgrading). Am 6. November haben Martin Schäfer und ich bei Arri die Nullkopie abgenommen. Am 8. November wurde "TAROT" für die Münchner um 11 Uhr morgens im Eldorado-Kino am Stachus für ein größeres Publikum vorgeführt. Ich war schon 1 Stunde vorher da, bin durch die Straßen gelaufen und fast gestorben vor Nervosität.
Am 23. November lief "TAROT" dann für die Berliner um 13 Uhr im Yorck-Kino. Am 6. Dezember. hat ihn die FSK ab 6 Jahren freigegeben. Am 13. Dezember hat ihn die FBW gesehen. Leider nur Prädikat "Wertvoll". Am gleichen Tag sah in Gilles Jacob, der Chef des Wettbewerbs von Cannes. Am 17. Dezember sagte er mir, er wolle sich nicht sofort entscheiden, aber den Film für den Wettbewerb im Auge behalten.
Am 18. Dezember bin ich nach Stuttgart geflogen und von da im Bus zu einem Filmclub in Villingen. Ich weiß nicht mehr, welcher Film dort gezeigt wurde. Kann sein, dass ich nochmal da war und meine Erinnerungen an die Stadt sich vermischen.
Ich hatte dann wohl das Gefühl, ich brauche dringend Ferien und bin mit Anna nach Gran Canaria geflogen. Ohne Hotelbuchung. Meine Haupterinnerung da ist, dass wir beide in einer Dünenlandschaft Picknick gemacht haben und nachdem wir eine ganze Flasche Wein ausgetrunken hatten, in den Dünen Purzelbäume gemacht haben. Da ging es uns beiden saumäßig gut. Beim Rutsch ins Jahr 1986 waren wir schon in Lanzarote, und die Sylvesternacht war überhaupt nicht lustig. Gemeinsames Verreisen kann für Paare schwierig werden und zu abrupten Trennungen führen. Worüber wir uns gestritten haben, weiß ich nicht mehr. Woran ich mich erinnere, ist, dass ich ihr ihren Pass und das Flugticket in der Nacht hingeschmissen habe und verschwunden bin. Keine Ahnung wohin. Anna sprach ja immerhin ein bisschen Spanisch. Ich nicht. Vielleicht bin ich, nachdem sich mein Zorn abgekühlt hat, kleinlaut zurück gekrochen.
26.10.15  

Mein Bauernhof wird heute zum Tonstudio. Raphael Chipperfield kommt mit seinem Tonmeister Matthias, um mich eine Dialogpartie seines Kurzfilms "Gilt to Gold", den wir im April gedreht haben, nachsprechen zu lassen.

Ich höre mir an, was ich damals gesprochen habe, gerate in Verzweiflung, weil ich denke, dass ich so wie ich das in dieser Nacht gesprochen habe, niemals wiederholen kann. Ich denke, ich habe es dann doch hingekriegt und bin schließlich ganz zufrieden mit mir. Es ging ja nur um die Stimmung, den im Bild bin ich nur von hinten und schräg von der Seite zu sehen.


Zu den Autobiographie Notizen: In Lanzarote waren Anna und ich wieder vollkommen glücklich. Wir hatten einen Renault R4 und sind nach dem Durchfahren einer schwarzen Vulkanlandschaft in eine Bucht mit feinem schwarzen Sandstrand geraten, wo wir zwar nicht schwimmen, dafür aber ungestört nackt in der Sonne liegen konnten. Sie meint, ich habe ihr Texte von Georg Picht und Heidegger vorgelesen. Picht kann nicht sein, den von ihm hatte mir erst Rainer Gansera beim Anschauen der Filme von Roberto Rossellini erzählt. Die Filmvorführungen für das Rossellinibuch (Hansers Blaue Reihe) mit Wolfram Schütte und Peter W. Jansen (†) begannen erst am 28 Februar 1986. Im Januar hatte ist ein sehr langes Telegramm von Pierre Henri Deleau bekommen. Er habe die Kopie von "Tarot" im Vorführraum an der Champs Elysées gefunden und ihn angeschaut. Er wisse, dass der Film für den Wettbewerb in Cannes eingereicht sei. Aber wenn der Wettbewerb den Film nicht auswähle, wäre er überglücklich ihn in der Quinzaine des Réalisateur zeigen zu dürfen. Er sei sich hunderprozentig sicher, dass "Tarot" in Cannes eine "Revolution" sein werde.
Am 13. März hat sich Gilles Jacob noch immer nicht entschien, aber ein großer französischer Verleih (AAA) will in in Frankreich ins Kino bringen
Im Februar war ich wieder in Paris, denn da war am 5. 2. die Premiere von "SYSTEM OHNE SCHATTEN und mit Serge Daney (†) habe ich am gleichen Tag ein Interview für "Libération" gemacht. Das Interview mit ihm (LINK) gibt es noch auf meiner Website. Und auch die Kritiken (LINK) von ihm und Serge Toubiana in den Cahiers du Cinéma.
Am 4. April erfahre ich von Gilles Jacob, dass er nicht "TAROT", sondern "Rosa Luxemburg" von Margarete von Trotta für den Wettbewerb ausgewählt hat Am 16. April die Nachricht, dass ich keinen Bundesfilmpreis für "TAROT" bekomme.
Ab April sitze ich in der Jury der "1.Berliner Drehbuchwerkstatt".
Am 9. Mai fliege ich mit Anna nach Cannes, denn in der Quinzaine läuft "TAROT" und zwar am 13. April, und ich sterbe fast vor Aufregung. Rückflug am 22. Mai. Die französischen Kritiken (LINK) sind auch noch online. Einer hat geschrieben, wenn man aus dem Film herauskommt, sei man so bewegt, als habe man zehn Filme gesehen. Nach Cannes sind dann im zweiten Halbjahr noch weitere Festivals dazu gekommen, aber ohne Goldene Palme in Cannes geschehen keine Kinowunder, und in Deutschland schon gar nicht.
Jochen Brunow schreibt mir heute aus Sardinien: "Deine letzten Blogeinträge klingen für mich etwas traurig. Verlier Dich nicht in endlosen Screenshots der Filme. Über das Leben als alter Mann empfehle ich Dir dringend die Lektüre von „Frank“ von Richard Ford." Ich will versuchen, seine Ratschläge zu beherzigen. Vielleicht.
Er ist begeistert von seinem neuen MacBook Pro und seinem iPhone 6s, das er in Sardinien als Hotspot verwendet. Vielleicht würde mich der Gebrauch dieser Geräte auch für ein paar Tage glücklicher machen? Ich habe noch immer das iPhone 4s und kann damit inzwischen nur noch mühsam umgehen, weil ich so gut wie nie benutze.
Was hat er da gesagt in Bezug auf mich "über das Leben als alter Mann". Er ist nur 10 Jahre jünger als ich.

27.10.15  
Heute ist Vollmond. Nach zweijähriger Pause lasse ich mir zum ersten Mal die Haare wieder professionell schneiden.

Nach dem Lesen einer email überfällt mich ein Heißhunger auf Kartoffelbrei, Fischstäbchen und Salat. Davon werde ich auch morgen noch leben müssen. Denn von allem habe ich zuviel.
Aber immerhin bin ich jetzt auch mit Knausgårds "Lieben" fertig geworden. Der am Ende dreizehnjährige Knausgård hat nichts als Mädchen und Kleider im Kopf. Eine Szene, in der er versucht, ein Mädchen mit der Uhr in der Hand länger als 10 Minuten zu küssen, ist eine absolute Horrorszene. In meiner Kindheit habe ich erst mit vierzehn Jahren Mädchen überhaupt wahrgenommen und dafür musste erst einmal meine Mutter sterben.
Im Garten beginne ich heute mit den ersten Wintervorbereitungen. Der Rasen ist von Blättern übersät. Zum Laubeinsammeln mit dem Rasentraktor ist es noch zu früh, denn die Birken und die Eichen fangen mit dem Entblättern erst langsam an.

Zu den Autobiographie Notizen:Am schwarzen Sandstrand in Lanzarote habe ich jede Menge Steine gesammelt, darunter auch grüne Olivine. Die landeten dann später in meinen Aquarien in der Fidicinstraße. Im Mai habe ich mein erstes Aquarium für Buntbarsche einerichtet. Die bekamen jede Menge Fischbabies und Anna und ich haben sie gelegentlich mit Haferflocken gefüttert. Außerdem habe ich angefangen "Kunst und Mythos" von Georg Picht zu lesen, dessen Gedankengänge und seine Sprache mich total fasziniert haben. Dann war Fussballweltmeisterschaft. Ich denke, ich habe die meisten Spiele gesehen.
Am 28. Juni lief "TAROT" auf dem Münchner Filmfest im Rio-Kino. Ich war da, aber wegen der WM nicht sehr viel Publikum. Im Juli habe ich außer Picht lesen, Fische füttern, Kritiken für den Tagesspiegel schreiben, mit Anna spazierene gehen vor allem die Finanzierung von "Ein rettender Engel", ein neues Drehbuch von Max Zihlmann in die Wege geleitet und beim BMI und ZDF eingereicht. Max Zihlmann hat mir für die Besetzung der Hauptrollen Barbara Rudnik und Dominic Raake vorgeschlagen. Ich treffe zuerst Dominic Raake in einem Café und zum Mittagessen Barbara Rudnik. Kaum hatten wir angefangen, miteinander zu reden, tauchte Bernd Eichinger (†) auf und hat es für selbstverständlich gehalten, dass ich auch ihn einlade.
Am 19. August kam Peter Buchka (†) Filmchef der Süddeutschen Zeitung, nach Berlin und hat sich im Arsenal-Kino meine beiden "Wahlverwandtschaften"-Filme "TAGEBUCH" und "TAROT" angeschaut.
Am 22. August bin ich zum Filmfestival nach Montreal geflogen. Auch da lief am 25. und 26. 8. "TAROT". Gefallen hat es mir da nicht, deshalb habe ich dann später bei "DER PHILOSOPH", wo der Film den Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI) bekommen hat, Adriana Altaras hingeschickt. Aber auch Adriana ist da vorzeitig wieder abgereist.
Am 11. September war dann die offizielle Deutschland-Premiere von "TAROT" im Münchner Arri-Kino. Sabine Bach war auch da und war in meinen Augen eine wunderschöne, erwachsene Frau geworden.
Die Überschrift von Peter Buchka in der Süddeutschen Zeitung hieß: "WENN DAS SCHICKSAL DIE TRÄUME BRICHT. Rudolf Thomes durchtriebenes Meisterwerk "Tarot"
und die von Karsten Witte in der Frankfurter Rundschau: "IM LAUFE DES LICHTS. Rudolf Thomes Film "Tarot"nach Goethes "Wahlverwandschaften:" ein Meisterwerk".
Am 13. September erfahre ich von den Kinos in München, Köln und Frankfurt, dass sie ausverkauft seien.
Am 12. Oktober will ich nochmal das Goldene Sportabzeichen machen mit folgenden Disziplinen: Kugel/Hoch/ 100 m/5000 m). 200 m Schwimmen kam später.
Am 31. Oktober kaufe ich bei BMW einen gebrauchten BMW 745i. Das beste Auto, das ich je hatte. Ich hatte immer wieder Autounfälle und wollte älter als meine Mutter werden.
Am 1. November startete AAA "TAROT in Frankreich. Ich war da, war aber von den Zuschauerzahlen enttäuscht.
Am 11. November schreibe ich einen Brief an den Tagesspiegel, dass ich ab sofort keine Filmkritiken mehr schreiben will.
Am 16. November will ich Anna, die auf dem Weg von der Fidicinstraße zum Langkovelweg hinter mir herfährt, zeigen, was für ein Wahnsinnsauto der BMW ist. Ich gebe am Platz der Luftbrücke voll Gas. Aber es hatte geregnet und auf der noch nassen Straße hat sich der Wagen gedreht und ist seitlich in einer Hecke gelandet. Wir werden das beide nie vergessen.
Am 22. November war ich bei den Biberacher Filmfestspielen mit "TAROT". Vera Tchechowa und Vadim Glowna waren da.
Am 19. Dezember war ich mit Anna im KaDeWe, um das Essen für Weihnachten zu kaufen. Bis dahin haben wir friedlich zusammen gelebt, aber Einkaufen kurz vor Weihnachten im KaDeWe war für mich der absolute Horror.
Am 22. Dezember bin ich im Schöneberger Schwimmbad 200 m für das Goldene Sportabzeichen geschwommen. Anna sollte dabei sein und mir meine Zeit sagen. Ich war nach 150 Meter erschöpft und habe gedacht, dass ich schon 200 Meter geschwommen bin und aufgehört zu schwimme. Sie sagte dann, dass ich nochmal eine Runde schwimmen muss und habe das dann auch getan. Naja, die Zeit hat trotzdem für das Goldene Sportabzeichen gereicht.
28.10.15  
Der Vollmond gestern Abend kurz vor der Tagesschau.

Ich habe den Rat von Jochen Brunow befolgt, und "Frank" von Richard Ford gekauft. Im übrigen - seit drei Wochen warte ich auf die DVD "Hill of Freedom" von Hong Sang-soo. Meine BluRay mach Kyoto hat 6 Tage gebraucht, die DVD meiner Kurzfilme nach New York war noch einen Tag schneller. Ich weiß, woran das in diesem Scheißland liegt. Es sind die überforderten Zollbehörden. Zumindest die in Berlin. Da können sich die Zoll-Leute mit den Bürgerämtern die überarbeitete Hand reichem. Für einen freien Termin (polizeiliche Anmeldung, Personalausweis oder gar Pass) muss man 2 Monate warten.
Zu den Autobiographie Notizen: Nach der offiziellen Deutschland-Premiere von "TAROT", die der Filmverlag ausgerichtet hat, ist Tankred Dorst zu mir gekommen und hat unter anderem mir ein Goethe-Zitat gesagt: "Ach, du warst in abgelebten Zeiten meine Schwester oder meine Frau." Genau dieser Satz stand als Motto im Originaldrehbuch von Max Zihlmann. Ich war total verblüfft. Die Intention von Max Zihlmann muss also auch im gedrehten Film für gebildete und empfindsame Menschen rübergekommen sein.
Das ganze Jahr 1987 ist für mich im Terminkalender verwirrend. Am 1. 1. steht da diese Notiz: "5 Schachspiele mit Anna (4:1). Ich denke beim ersten Spiel habe ich sie unterschätzt und bei den nächsten Spielen habe ich gewonnen.
Am 8. Januar hat mir Bodo Morshäuser ein Drehbuch mit dem Titel "Die Frau am Fenster" gegeben und mir als Hauptdarstellerin Ulla Meinecke empfohlen. Ich habe sie am 14. Januar getroffen, und sie hat dabei einige Gläser Wein getrunken. Bodo Morshäuser und ich kannten uns vom Berliner Magazin "TIP". Sehr viele Jahre später hat er mit mir ein langes Interview für den "TIP" gemacht. Am 27. Januar bin ich mit "SYSTEM OHNE SCHATTEN" zu einer Veranstaltung der Export-Union nach Prag und Bratislava geflogen. Prag hat mir überhaupt nicht gefallen, Bratislava um so mehr. Wir waren eine deutche Delegation und wurden durch das dortige Filmstudio geführt. Weil die nicht wussten, was sie uns noch zeigen konnten, haben sie uns einen neuen Film gezeigt. Nach einer halben Stunde wollten sie die Vorführung beenden. Aber ich war fasziniert und habe darauf bestanden, den Film bis zum Ende zu sehen. Ich denke es war "Stille Freude" von Dusan Hanak. Beim Abendessen saß der Studioboss neben mir, und ich habe ihm erzählt, warum mir der Film so gefallen hat. Er hat das verstanden und hat einen Assistenten beauftragt, Dusan Hanak sofort herzuholen. Eine halbe Stunde später war Dusan Hanak da, und wir haben uns gut eine Stunde über seinen Film und über das Filmemachen in der Tchechoslowakei unterhalten. Der Studioboss hat übersetzt.
Anfang Februar gab es wohl größere Konfikte zwischen mir und Anna. Ich wollte ihr und der Berlinale entfliehen, haber vielleicht sogar brieflich mit ihr Schluss gemacht. und bin für drei Wochen soweit weg wie möglich von beiden mit dem superschnellen BMW 745i gefahren. Das waren tolle Zeiten. Wenn ich auf der linken Autobahnspur ankam, sind die vor mir fahrenden Autos sofort respektvoll nach rechts gefahren. Auf der geraden Autobahn zwischen Lyon und Marseille konnte ich fast durchweg mit der vollen Geschwindigkeit von 230 km/h fahren. An der Grenze zu Spanien gab es den ersten Wermutstropfen meiner Reise, denn da hatte es gerade geschneit. Ich bin mit Pausen immer weiter bis kurz vor Gibraltar gefahren. Habe dann da mich in einer Mischung aus Campingplatz und Motel einquartiert. 3.000 Kilomter entfernt von Berlin. Am nächsten Morgen schien die Sonne und von da an wurde es von Tag zu Tag wärmer. Unterwegs hatte ich eine Kassette von T-Bone Burnett mit dem Song "Love at First Sight" gehört und dachte damals schon die deutsche Übersetzung wäre ein guter Titel für einem Film, denn eigentlich wollte ich da ein Drehbuch schreiben und so lange bleiben, bis es fertig war. Ich habe mich jedenfalls auf einen längeren Zeitraum da eingerichtet, habe mir bei einem Friseur die Haare schneiden lassen, habe ein aufblasbares Gumiboot gekauft, das es mir ermöglicht hat in Strandnähe nackt in der Sonne zu liegen. Ich wurde von Tag zu Tag brauner und es ging mir gut. Nur einmal hatte ich nachts einen bösen Traum mit meiner Ex-Frau Karin Thome. Ich habe am Morgen Cynthia Beatt angerufen, die in der Fidicinstraße wohnte, und sie sagte mir, dass Karin angerufen hat und gesagt hat, dass unser gemeinsamer Sohn Maximilian an Leukämie erkrankt ist. Ich sagte ihr, ich komme sofort zurück, aber brauche für diese Strecke drei Tage. Irgendwann von unterwegs habe ich Cynthia nochmal angerufen und ihr gesagt, sie solle Anna anrufen (was ich damals eigentlich überhaupt nicht wollte, denn zwischen mir und ihr war ja alles aus und vorbei). Anna solle in der Amerika Gedenkbibliothek alle Büche über Leukämie ausleihen.
Am 9. März war ich wieder in Berlin und habe die Bücher, die Anna ausgeliehen hat, überflogen. In meinem Terminkalender steht da nur "ANNA!", Das hat sie da reingeschrieben.
29.10.15   Ich habe in zwei Tagen "Stoner" von John Williams gelesen. Das Buch ist in jeder Hinsicht herzzerreißend. Die Geschichte einer ersten Liebe, die in eine Ehe ausartet, die Geschichte einer Todfeindschaft unter Professoren, und dann die Liebe eines schon alt gewordenen Professors zu einer Studentin. Das alles vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, der Finanzkatastrophe 1928 und des Zweiten Weltkriegs. Am liebsten würde ich es sofort wieder lesen, aber jetzt kommt erst mal "Frank". Mir wir heute klar, ich habe das tägliche Radfahren notgedrungen wegen meines "Tennisarms" durch Bücherlesen ersetzt.

Zu den Autobiographie Notizen:Am 14. März 1987 bin ich zusammen mit Anna nach Los Angeles geflogen. Trotz meiner Warnungen vor Karin wollte sie dabei sein. Am Anfang lag er noch im Krankenhaus, wurde aber sehr schnell daraus entlassen. Wir haben dann immer wieder Sushi (ohne Karin) gegessen. Ich kannte das nicht, und er hat es geliebt. Wir haben zusammen Schach gespielt. Das erste Spiel hat er gewonnen, das zweite ich. Beim Autoverleih habe ich mit dem Auto ein tragbares Telefon ausgeliehen und mit Anna am Strand dann Cynthia in Berlin angerufen. Außerdem sind vor uns, als wir da entspannt im Sand in der Sonne lagen, mehrere Delphine aufgetaucht. Wir haben das beide als gutes Vorzeichen für unsere Zukunft aufgefasst. Am Anfang im Krankenhaus hat Karin Anna dazu gebracht, eine Spende mit roten Blutplättchen für Maximilian zu machen. Mir hat das gar nicht gefallen. Anna hatte damit kein Problem. Ein Jahr später, als ich tatsächlich Maximilian mein Knochenmark gespendet habe, sagte Karin: Wie gut, dass wir dich als Ersatzteillager benutzen können. Mir blieb die Spucke weg. Dann hat sie für Maximilian eine eigene Wohnung gemietet und Anna und mich endringlich gebeten, beim Umzug zu helfen. Nach 5 oder 6 Tagen sagte Anna, die Karin am Anfang toll fand, ich will diese Frau nicht mehr sehen. Bei der Vorführung von "MADE IN GERMANY UND USA" schrieb der Kritiker einer Londoner Zeitung: "This woman is too much." Da hat Karin die Hauptrolle gespielt.
Maximilian war wieder halbwegs gesund, und ich habe ihm versprochen, wenn die Leukämie zurückkommen sollte, kriegt er mein Knochenmark. Und zu Anna habe ich gesagt, jetzt können wir auch noch nach Florida zu deinem Guru Ma fahren, von der du mir von Anfang an so viel erzählt hast. Also sind wir mit dem nächsten Flugzeug nach Miami geflogen, haben da ein Auto gemietet und sind mit einem halsbrecherischen Tempo zu einem Ashram in Sebastian gefahren ( wo ich 2008 "PINK" gedreht habe). Später wurde mir klar, warum sie beim Autofahren unser Leben riskiert hat. Sie wollte unbedingt noch rechtzeitig zum "Darshan" (die Zeit in der die "Schüler" ihren Guru sehen können). ankommen Das hat Anna geschafft. Der Guru, eine jüdische in Brooklyn geborene Frau, ihr spiritueller Name ist Ma Jaya Sati Bhagavati (†) war total anders als ich mir Gurus vorgestellt hatte. Kein Heiligenschein. Total lustig, ein bisschen schrill, aber beim Besprechen der aktuellen Probleme innerhalb des Ashrams kallhart, aber klar und offen. Mich hat sie an Carol Hellman, dem Produzenten von "DETEKTIVE" erinnert. Sie sagte im Scherz: Hanuman Priya came here to ask me, if she should marry Rudolph - the Red Nose Raindeer. Alle haben gelacht. Ich auch. Anna etwas weniger, denn sie hatte noch gar nicht gefragt.
30.10.15  
Dieser hölzerne Kochlöffel, den mein Sohn Nicolai vor vielleicht 15 Jahren für mich geschnitzt hat, ist mir gestern zerbrochen. Mir hat das physisch weh getan.
Zu den Autobiographie Notizen: Am nächsten Tag hat mich Anna im Ashram mit all seinen Tempeln herumgeführt. Sie kannte so gut wie alle Leute da, denn sie kannte Ma und ihren Ashram seit über zehn Jahren. Beim Abendessen erhielten wir die Nachricht, dass Ma uns zu einem Private Darshan sehen will. Anna strahlte vor Glück, denn da ist man allein mit ihr. Nur zwei Vertraute sitzen links und rechts neben ihr. Ma hat mich ausführlich gefragt, wie meine beiden Ehen gegangen sind und warum ich mich von meinen Partnern getrennt habe. Ich habe ihre Fragen so gut ich konnte offen beantwortet. Ich habe ihr auch gesagt, dass ich Angst davor habe, bei ihr im Ashram zu wohnen, weil ich vor allem Filme machen will. Sie hat gesagt, das ist ok. Anna wurde auch befragt, aber daran erinnere ich mich nicht mehr. Als sie uns wieder rausgeschickt hat, hatte ich jedes Zeitgefühl verloren. Es fühlte sich an, als seien mehrere Stunden vergangen. Wahrscheinlich hat es eine knappe halbe Stunde gedauert. Ich bin mit Anna dann noch eine Weile in ihrem vom Ashram abgetrennten Bereich (der hieß "Coral") mit weiteren indischen Götterstatuen, darunter ein Hanuman, der sein Herz aufreisst, herumgegangen und sagte zu ihr: So hat noch nie jemand mit mir gesprochen, seit meine Mutter gestorben ist. Ich war tief beindruckt und wie betäubt. Anna erklärte mir, dass sei Shakti und fragte mich, als wir vor dem Hanuman mit dem offenen Herzen standen (ihr spiritueller Name bedeutete "Geliebte Hanumans"), wir könnten Ma fragen, ob sie uns verheiratet. Das macht sie nämlich oft? Ich war nicht ganz so mutig wie Anna und sagte, lass uns doch erst ordentlich vor dem Standesamt in Deutschland heiraten. Hinterher können wir dann noch immer hierher fahren und uns auch von Ma verheiraten lassen. So sah Ma damals aus. Ich musste sie lieben. Auch ohne Shakti.

Einen Tag später, am 28. März hat uns Ma beim Darshan zu sich gerufen. Wir saßen ganz weit hinten und die Leute mussten für uns einen Weg freimachen. Ma sagte, dass man sie auch "Ma Immediatly" nennt und hat zuerst mich, dann Anna gefragt, ob wir uns heiraten wollen. Wir haben beide yes gesagt, uns wurde ein Schal um den Hals gelegt und damit waren wir verheiratet. Ich glaube Ma hat dann noch gesagt, wir sollen uns eine Flasche Wein besorgen und dann gleich damit anfangen, Kinder zu kriegen, denn es würden bestimmt ganz wunderbare Kinder. Was wir am 29. März gemacht haben, weiß ich nicht mehr. Ich denke Anna hat noch eine Tonbandkassette von diesem Abend, aber ob die noch jetzt funktioniert, ist eher unwahrscheinlich.
Am 31. März sind wir nach New York geflogen und haben unsere Hochzeit mit zwei Freunden von Anna gefeiert. Es war ein sündteures Restaurant, das nur Eingeweihte kannten und ich habe da das beste Steak meines Lebens (bis heute) gegessen. Am 1. April sind wir zurückgeflogen und waren, frisch verheiratet, wieder in Berlin.
31.10.15  
Nicolais Kastanienbaum an diesem wunderschönen Herbsttag.

Jetzt mache ich endlich das, was ich seit einer Woche tun wollte. Ich lasse das Wasser aus den Rohren und aus der Pumpe für meinen Brunnen ab. Das dauert unendlich lange und ich brauche Geduld, die zu haben mir schwer fällt. Wenn ich das nicht mache, friert das Wasser, das noch drin ist, und die Pumpe geht kaputt.



Zu den Autobiographie Notizen: Im März 1987 habe ich nicht nur geheiratet, sonden wurde auch Mitglied der "Berliner Mikroskopischen Gesellschaft" und habe mich mit Joachim von Vietinghoff als Produzent, Jochen Brunow als Autor des Projekts "Das Bild" getroffen. In meiner Erinnerung wollte er Isabelle Adjani für die weibliche Hauptrolle gewinnen. Maruschka Detmers und Dominique Sanda schienen uns auch dafür in Frage zu kommen. Der männliche Hauptdarsteller sollte Franz Xaver Kroetz sein. Jedenfalls habe ich ihn am 11. April in München getroffen. Wir haben viel über Autos und auch um das Nacktsein im Film gesprochen. Wir kamen gut miteinander zurecht.
Am 12. April liefen im Gasteig die Kurzfilme der "Neuen Münchner Gruppe", darunter vier von mir. Das Kino war voll bis auf den letzten Platz. Mein Filme "STELLA" kam unglaublich gut an. Am 21. April rief mich Kroetz an und sagte, er will den Film machen. Seine Gage 200.000 DM. Nach seinem Erfolg als Baby Schimmerlos in "Kir Royal" schien mir das angemessen. Maruschka Detmers hat am 22. April abgesagt.
Was das Heiraten angeht, steht bei mir "125 Briefe in alle Welt geschickt (wir haben geheiratet)".
Günter Rohrbach, der inzwischen nicht mehr beim WDR, sondern bei der Bavaria war, sagte am 29. April zu "Das Bild" am Telefon "nicht uninteressant". Ich hatte ihm die Geschichte und die Tatsache, dass Kroetz zugesagt hat, erzählt und habe ihm danach das Drehbuch geschickt. Was ich heute nicht verstehe, ist, dass das alles von mir und nicht von Vietinghoff gemacht wurde, denn er sollte ja der Produzent sein.
Dann ging es mit dem Heiraten weiter. Am 4. Mai bin ich mit Anna nach Hofheim gefahren und am 5. Mai haben wir vor dem Standesamt geheiratet. Bei der Hochzeitsfeier war die gesamte nähere und weitere Familie von Anna, die ich alle vorher noch nicht gesehen hatte. Mein Bruder Helmut ist aus dem Bayrischen Wald auch dazu gekommen. Jedenfalls gegen 11 Uhr abends war ich totmüde und habe gesagt, ihr müsst mich entschuldigen, ich kann nicht mehr, ich muss jetzt schlafen. Hinterher hat mir Anna erzählt, dass die Schwester ihrer Mutter (mit den Verwandtschaftsgraden bin ich noch nie zurecht gekommen) gesagt hat: Der hat Mut! Da sie innerhalb der Familie eine gewisse Führungsrolle hatte, war mein Ausscheiden aus der Feier für alle anderen auch kein Problem mehr.
Am 7. Mai war ich wieder in Berlin bei einer Sitzung der "Berliner Mikroskopischen Gesellschaft". Innerhalb von drei Tagen schrieb ich dann das Drehbuch zu "DAS MIKROSKOP", denn die FKT hatte eine neue Form der Low-Budget-Förderung installiert, und in der dreiköpfigen Jury saß Erika Gregor. Ich wusste, dass sie mit 99prozentiger Sicherheit für mich stimmen würde und hielt sie für sehr kampfstark. Ich hatte mich nicht in ihr getäuscht. Am 22. Juni sagte mir Herr Semler, der Chef der FKT, dass ich für "DAS MIKROSKOP" Geld kriege.
Am 30. Mai war ich mit Anna in Stuttgart, denn da heiratete Cynthia Beatts Bruder Brian, der in "BESCHREIBUNG EINER INSEL" eine Hauptrolle gespielt hat, eine deutsche Frau. Bei der Hochzeitsfeier waren viele reiche Menschen. Einer erkundigte sich, ob ich nicht Interesse habe, einen Film von mir von ihm mitfinanziert zu bekommen. Ich habe mich ein bisschen gefreut, aber gesagt, dass die Finanzierung eines Films von Privatpersonen genauso sei, als würde er sein Geld aus dem Fenster werfen. Das hat ihn überzeugt.
Ich habe das Drehbuch von "DAS MIKROSKOP" an Rüdiger Vogler und an Sabine Bach geschickt. Am 24. Juni rufe ich Rüdiger Vogler an, und er sagt mir, dass er so eine komische Männerrolle nicht spielen möchte, denn er erwarte jetzt mit seiner Frau ein Kind. Etwas später habe ich Sabine Bach angerufen, und auch sie sagt mir ab. Der Film sei altmodisch, 70er Jahre-Stil. Ich bin ganz schön verzweifelt und rufe in dieser Situation Ma in Florida an. Sie sagt mir (Anna wundert sich, dass ich direkt mit ihr sprechen konnte), dass alles gut gehen wird und dass ich die richtigen Leute für meinen Film finden werde.
Am 3. Juli hole ich im Russischen Konsulat, das direkt gegenüber meiner späteren Wohnung im Reichensteiner Weg lag, die Visa für Anna und mich für Russland ab. Am 6. Juli fliegen wir über Schönefeld nach Moskau zum Moskau-Filmfestival, wo "TAROT" im Wettbwerb läuft. Dass da im Fünftausend-Betten-Hotel Rossiya für uns kein Zimmer reserviert war, habe ich irgendwann im Blog schon früher beschrieben, und auch das Vadim Glowna mit Hilfe einer Stange Westzigaretten doch noch ein freies Zimmer möglich gemacht hat. Für mich war das doppelt schrecklich, weil Anna zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war und ich als verantwortungsvoller Vater jede Art von Aufregung von ihr fernhalten wollte. Morgen im November-Blog geht es weiter.

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